top of page

Die Sennin und der Knappe.

ree



Erhoben und beengt

Fühlt sich in dieser Berge Regionen

Der Geist, wo Erd und Himmel sich umfängt,

Indeß der eitle Mensch am Boden unten hängt.

Byrons „Child Harold“

übersetzt von Zedlitz.


Wahrlich erhebend und beengend zugleich ist die Empfindung, mit der man um die Landecke der Gosauermühle biegt, wo sich das Hallstädter-Seethal öffnet. Mit feierlicher Stimmung kommt man in diesen Alpentempel, dessen Wände und Säulen die felsigen Urfesten der Erde sind, dessen Estrich die kristallne Flut des Sees, dessen Kuppel der sonnenstrahlende Himmel ist.


Die enggeschloffene Reihe himmelanragender Felsriesen fetzt hier der weit strebenden Neugier des menschlichen Auges eine imponierende Grenze; hier endet eine Welt und beginnt eine Welt– eine Welt anbetender Empfindung.

Wie ein phantastisches Luftgebilde erscheint im Hintergrunde dieser erhabenen Einsamkeit das unvergleichliche Hallstadt.

Wo die schroff aus der Seeflut aufsteigenden Felsen kaum dem schmalen Fußsteig Raum zu gestatten scheinen, erblickt man das malerische Städtchen halb an das überhängende Gestein gelehnt, halb in den anspühlenden See getaucht. Fast senkrecht ober dem Marktplatze rauscht ein schäumender Wafferfall; von der Schwelle des einen Hauses kann man den Dachgiebel des andern besteigen; von oben herab stürzen zertrümmernde Felsblöcke und Lawinen, von unten her peitscht der Sturm die Wasser des Sees bis in die Fenster des ersten Stockwerks.


In Hallstadt wiehert kein Pferd, rasselt kein Wagen, nur ein schwindelhoher Fußpfad und die schauerlich dunkle Tiefe des Sees verbinden es mit der Nachbarschaft. Vom 17. November bis 2. Februar sieht es die Sonne nicht; aber ihm leuchtet der Glücksstern biederer Zufriedenheit, idyllischer Heiterkeit.

Wie in der Gegend im Ganzen, so spricht sich auch in ihren Einzelnheiten der Charakter des schauerlich Schönen, geheimnißvoll Erhabenen aus. So die Koppenbrüllerhöhle, in deren Tiefe unsichtbare Wasserstürze toben; der Kessel, ein gigantischer Felsentrichter von unerforschter Tiefe, der periodisch von geheimnißvollen Fluten überströmt; der Hirschbrunnen, ein Chaos gewaltiger Steintrümmer, zwischen denen von Zeit zu Zeit schäumende Gewässer hervorbrausen u. s. w.

Unbeschreiblich schön ist der Weg durch das Felsenthal Echern, dem hüpfenden Waldbach entgegen bis zur Stelle, wo er in einem majestätischen Falle (Waldbachstrub) aus felsiger Höhe in das Waldthal herabstürzt.


Neben den unzähligen Schönheiten der Natur verdient auf diesem Wege auch das kleine aber sinnige Werk eines poetischen Bergknappen freundliche Beachtung. Hart am Pfade liegt ein einzelner fast viereckiger Felsblock von beträchtlicher Höhe und Breite, der wahrscheinlich einst vom Abhang des Salzberges herabgestürzt. Die obere Fläche desselben benützte nun ein emsiger Knappe, um sich in mühsam aufgetragener Erde ein Blumen- und Gemüsegärtchen anzulegen; und wenn er ein schweres unterirdisches Tagwerk vollbracht hat, besteigt er mittelst einer Leiter ein originelles Grundstück und bewässert und pflegt es mit unermüdetem Fleiße. Es gewährt eine sehr angenehme Überraschung, den grauen Felsklotz rings mit einem Kranze lieblicher Blumen geschmückt zu sehen.


Unweit des Waldbachstrubs haben die Holzknechte in die senkrechte Felswand mit genialer Kräftigkeit einen Pfad gehauen, dessen Natur und Beschaffenheit durch die Benennung „Gemsensteig treffend bezeichnet ist. Ich bewunderte nicht ohne Herzklopfen die Kühnheit dieses Steiges, und um mir einen Beweis zu liefern, wie viel sich ein Alpensohn in Ernst und Scherz zutraue, trat mein Führer, ein wackerer Bergknappe, in einer Höhe von mehreren hundert Klaftern auf eine kaum schrittbreite Felsenkante hinaus, und frei am "äußersten Rande des Abgrunds stehend, schleuderte er einen Stein mit so gewaltigem Schwunge durch die Lüfte, daß er an der jenseitigen einige hundert Schritte entfernten Felswand zerschmetterte.–


Der erhitzende Gemsensteig führt in einen kühlen Buchenwald, durch den man zum Eingang der Salzwerke gelangt, denen Hallstadt seine Entstehung und Fortdauer verdankt. Mein Führer wußte mir vieles von der Beschaffenheit und Geschichte dieses Salzberges zu erzählen, besonders von den blutigen Kämpfen, die um den Besitz desselben mit den Salzburgern gekämpft wurden; und als er bemerkte, wie aufmerksam und neugierig ich seinen Worten lauschte, erzählte er mir folgende kleine Liebesgeschichte.


Die Sennin und der Knappe.

Vor dreihundert Jahren blühte auf der Alpentrift des Hallstädter Salzberges ein Alpenblümlein von wundervoller Schönheit. Die sanfte Glut des Alpenrösleins, die Himmelstiefe der Enziane, die sittige Zartheit des Edelweiß waren zauberisch in ihm vereinigt. Es war die achtzehnjährige Sennin Johanna.


Hanne war ein wunderliches Mädchen. Wer sie in ihrer Einsamkeit belauscht hätte, würde ihr Beginnen unerklärlich gefunden haben. Stundenlang saß sie oft am blumigen Wiesenrand, den glühenden Blick voll Sehnsucht auf den Boden geheftet, als sollte er bis in das Herz des Berges dringen, Liebesworte lispelte sie im träumerischen Selbstgespräche und überwältigt von heftigen Gefühlen breitete sie die Arme nach der Tiefe aus und vergrub die heißen Wangen im kühlen Grase.–


Tief in den Schachten des Salzbergs arbeitete zur selben Zeit der Knappe Albert, ein schmucker und braver Junge. Auch er mußte etwas auf dem Herzen haben. Von Zeit zu Zeit richtete er den Blick auf die niedere Wölbung des Schachtes, seufzte und blieb in sinnender Verlorenheit länger stehen, als für die Förderung eines Tagwerks gut war. Ihm blühte auf der sonnigen Alpentrift des Berges ein Lieblingsblümlein, und mächtig zog es ihn hinauf, die Wurzel desselben zu küssen. Sein Blümlein war die Sennin Johanna.–


Ach, hätte er sie belauschen, hätte er ahnen können, daß ihn ihr Herz voll liebender Sehnsucht im Schooße des Berges suche!-


Seit Monaten glühte er für sie in heißer Liebe, aber nie hatte er es gewagt, dem Drange eines Herzens Worte zu geben; denn eine verzagte Bescheidenheit überredete ihn, daß ein armer Bergknappe von der reichen Sennin, der selbst die gestrengen Herren des Amtes huldigten, sicherlich einen Korb bekommen würde.-


Aber plötzlich nahmen die Vermögensumstände des Knappen einen glänzenden Umschwung. Seine alte Base starb und vermachte ihm zwanzig blanke Thaler. Albert zweifelte keinen Augenblick, daß er mit einem solchen Schatze um den Preis eines Fürstenthums fragen könne. Im Glanze der Silberstücke spiegelte sich ihm eine freudenreiche Zukunft. Je öfter er seine Thaler zählte– und er that es oft– desto deutlicher leuchtete ihm seine jetzige Unwiderstehlichkeit ein, so daß er sich endlich entschloß, der schönen Johanna Hand und Herz sammt den zwanzig schweren Thalern anzutragen.


Am nächsten Ruhetag zog er seine wohlgeschonte Sonntagsjacke an, steckte einen Liebfrauenthaler zu sich, stärkte sich noch durch einen langen Blick in seinen kleinen Metallspiegel und ging.

Er hatte den Berg oft mit vielender Leichtigkeit bestiegen, diesmal aber litt er an heftiger Athembeklemmung, und als er nach oftmaligem Rasten endlich die Alpenflur erreicht hatte, überfiel ihn eine solche Bangigkeit, daß er gewiß einen heldenmüthigen Rückzug gemacht hätte, wäre nicht plötzlich Johanna vor ihm gestanden.


„Willkommen auf der Alm!", grüßte sie mit heiterer Freundlichkeit. „Kriecht Ihr auch einmal aus Eurer Finsterniß zu uns an die Sonne herauf? Armer Albert! man sieht es dir an, daß du nicht an die Sonnenwärme gewohnt bist; du sieht sehr stark erhitzt aus. Geh, setz' dich dort in den Schatten, ich will dir eine kleine Labung bringen.“

Während sie davonhüpfte, folgte Albert mechanisch ihrer Einladung und bemühte sich mit heftigem Herzklopfen, die Liebeserklärung ins Gedächtniß zu rufen, die er sich während des Hinaufsteigens zusammengesetzt hatte.

Hanne kam bald wieder und brachte Milch und Brot.

Sie setzte sich zutraulich neben Albert und war so freundlich, daß der schüchterne Knappe aus seiner verliebten Blödigkeit herauskommen mußte. Als sie eine geraume Zeit so beisammen gesessen waren, und sie nichts mehr trennte als der große Milchtopf, der zwischen ihnen stand, da ging dem Bergmann das Herz über; er faßte Johannens Hände und sagte ihr offen und ehrlich alles, was er auf der Seele hatte.


Die Alplerin hörte ihn mit stillen Lächeln, ihre Wangenglühten feuriger, ihre Augen standen voll Thränen; sie erwiederte leise den Druck seiner Hand, und eben begegneten sich ihre Lippen zum ersten Kusse– als lautes Hundegebell sie auseinander schreckte.

Johanna sprang zitternd auf und flehte mit ängstlicher Geberde, Albert möchte sich so schnell als möglich entfernen; er aber staunte, zauderte, fragte. Da rief Hanne mit dem Ausdruck heftigster Seelenangst: „Wenn du mich liebst, Albert, so eile fort, sonst machst du mich unglücklich!“– Und abermals und näher erscholl das Gebell; Johanna flog nach der Gegend hin, woher es kam, und Albert, halb unwillkürlich, halb vorsichtig, legte sich hinter einem Felsblocke auf die flache Erde und lauschte durch die Spitzen des hohen Grases.– O wäre er doch lieber fortgeeilt oder ein Auge in Blindheit geschlossen gewesen!--


Der Waldmeister, ein alter, dem Trunke ergebener steinreicher Junggeselle, trat aus dem Gebüsche. Johanna eilte ihm mit freundlichem Gruße entgegen; er streichelte ihre Wangen, küßte ihre Stirn, unschlang ihren Leib und verschwand mit ihr in der Hütte.


Alberts Blut kochte in den Adern. Er wollte hinstürzen und die treulose Betrügerin entlarven. Doch nein!– „Albert, wenn du mich liebst, so eile fort, sonst machst du mich unglücklich!“ hatte sie gesagt, und er liebte sie ja und mußte sie noch immer lieben, obwohl sie ihn so schmählich betrogen.


Er stürzte fort. Die sonnige Helle des schönen Sommertages that ihm weh; er eilte in die Salzwerke, und tiefer und tiefer trieb es ihn hinab bis in den untersten Schacht, wo es so finster war wie in einer Seele. Dort warf er sich auf den Boden hin und weinte bitterlich, Tage und Wochen vergingen und Albert vermied es aufs sorgfältigste, Johanna zu sehen. Einmal ließ sie ihn sogar bitten, zu ihr zu kommen; aber er kam nicht und gab keine Antwort. Auch bemühte er sich, einen Gram tief im Innersten seines Herzens zu verbergen.

- Der Winter kam und mit ihm die Freude des Faschings; da verbreitete sich die Nachricht, Johanna sei des Waldmeisters Braut. Allgemein behauptete man zwar, die arme Dirne sei durch die härteste Behandlung ihres Vaters zu dieser Ehe gezwungen und verzehre sich in bitterem Grame; aber Albert wußte das besser– er kannte die Heuchlerin!


Dessenungeachtet brachte ihn diese Nachricht aus seiner ruhigen Fassung. Die Gewißheit, daß jetzt Johanna auf immer für ihn verloren sei, riß ihn zu einer verzweifelnden Lustigkeit hin, mit der er seinen Schmerz übertäuben und sich selbst täuschen wollte.


Der reiche Waldmeister gab am Vorabend des Hochzeitstages ein großes Kränzchenfest, wozu alle Dirnen und Burschen geladen waren. Albert befand sich in fieberhafter Aufregung; sein Herz blutete, während sein Stolz ihn bei erkünstelter Stärke erhalten wollte.– „Sie soll sehen, daß sie mir ganz gleichgiltig ist!“ rief er aus und ging zu ihrem Brautfeste.

Er sah Johannen und ein Stich des bittersten Schmerzes drang durch sein Herz. O Gott, wie schrecklich war das Mädchen verändert! Bleich und abgezehrt, mit rothgeweinten Augen saß sie bei dem unglückseligen Freudenfeste wie ein Schreckbild des Jammers.

Sie erblickte den Knappen, heftete einen schmerzlichen vorwurfsvollen Blick auf ihn und ein leichtes Roth überflog ihre Wangen.


Nun war es um Alberts Fassung geschehen. „Sie ist unglücklich, und du hast sie verlassen!“ klagte sein Gewissen, und Schmerz und Reue ergriffen ihn so mächtig, daß er kaum die Thränen zurückhalten und seine Aufregung verbergen konnte.


Der Waldmeister und Hannens Vater saßen benebelten Hauptes bei ihrer Zechbrüderschaft und würfelten; es war daher ein leichtes für Albert, den allgemeinen Freudentaumel zu benützen, um sich Johannen vertraulich zu nähern. Er sprach mit ihr wohl über eine Viertelstunde, mischte sich dann unter die fröhlichen Scharen und pflog später noch einmal eine wichtige Zwiesprach mit Hanne. Sodann tanzte, sang und trank er mit unbefangenter Lustigkeit, und als endlich der Bräutigam dadurch, daß er völlig betrunken vom Stuhle fiel, das Zeichen zum Aufbruch gab, entfernte sich Albert, ohne Johannen mehr anzusehen.


Des andern Morgens putzten und luden die Jägerburschen ihre Pöller und Flinten, die Musikanten stimmten ihre Fideln, die Jungfrauen glätteten ihre Kleider, der Meßner schmückte den Altar mit Rosmarin und Myrten; da stürzte plötzlich Johannens Vater händeringend aus seinem Hause und schrie verzweiflungsvoll: „Nachbarn, um Himmels willen, helft mir! Hat niemand meine Hanne gesehen? Sie ist fort, sie ist verschwunden!-


Schnell verbreitete sich diese Kunde durch das ganze Städtchen. „Hanne ist fort!« scholl es von Mund zu Mund. Der Waldmeister kam, bot alle seine Leute und alle seine Flüche auf; alles jammerte und suchte– niemand fand eine Spur.

Der Bräutigam fluchte immer grimmiger, der Vater wehklagte immer ängstlicher, und niemand tröstete ihn, aber im Tone des schwersten Vorwurfs sprachen viele: „Gott sei ihrer Seele gnädig; die Unglückliche hat sich gewiß etwas zu Leid gethan!“–


Während dies vorging, arbeitete Albert im tiefen Schachte und als auch bis dahin die traurige Nachricht kam, hörte er sie mit auffallender Gleichgültigkeit.–

Drei Tage vergingen, Johanna kam nicht; alle Nachforschungen waren fruchtlos, und weil eben eine sehr freudige Hoffnung die Gemüther der biedern Hallstädter erfüllte, so erkaltete die Theilnahme für das Schicksal der armen Hanne früher, als es sonst wohl geschehen wäre.


Kaiser Maximilian nämlich hatte beschloffen, die Hallstadt mit einem Besuche zu beglücken, und es läßt sich denken, daß das getreue Bergvölkchen alle Kräfte aufgeboten, den kaiserlichen Gast mit dankbarster Freude und Ehrfurcht zu empfangen.

Alle Fichten und Tannen ringsum verloren ihre Wipfel, um das Städtchen mitten im Winter mit grünem Schmucke zu bekleiden; von allen Dächern wehten Fahnen; am Landungsplatze des Sees prangte eine hohe Triumphpforte; die Schützen mit den funkelnden Kugelbüchsen, die Bergleute im weißen Feierkleide, die Sennen mit den gewaltigen Peitschen und grün umflochtenen Alpentäben, die Jungfrauen mit Kränzen aus Immergrün– und Greise und Kinder in festlichen Gewändern harrten voll freudiger Sehnsucht des hohen Gastes. Und als endlich die bunt geschmückten und bewimpelten Schiffe landeten und der Kaiser das Ufer betrat, da schmetterten die Trompeten, krachten die Pöller und jubelte ein so kräftig herzliches Lebehoch, daß die riesigen Berge ringsum in hundertfachem Widerhall ertönten.


Der ritterliche Max vergalt diese biedere Treue mit herzlicher Herablassung. Er lobte den Hallstädtern ihr stilles reinliches Städtchen, er betete mit ihnen in der ehrwürdigen Kirche, besuchte die freundliche Ruhstätte ihrer Lieben, aß, trank und scherzte mit ihnen, schüttelte den Greisen die Hände, horchte den Erzählungen der Gemsenjäger, beglückte die Dirnen mit gnädigen Worten, besichtigte alles und jedes und bestieg zuletzt den Salzberg*), um in den festlich beleuchteten Schachten Hallstadts Lebensschatz zu bewundern.

*) Auf dem zweiten gedeckten Rastplatz des Treppenwegs, der zum Rudolphsthurm hinaufführt, liest man noch jetzt auf einer Steintafel die intereffante Inschrift: „Hier hat geraßt (gerastet) der hochlöbl. römische Kunig Maximilian, als er gangen ist die Salzberg zu besehen.“


Eben bewegte sich der unterirdische Zug gegen das große Soolensinkwerk hin, als aus einem verlassenen Seitenstollen plötzlich ein Mädchen hervortrat, sich dem Kaiser zu Füßen warf und seine Knie unklammerte.–

„Johanna!", riefen mehrere Stimmen, der Kaiser aber bückte sich mitleidig zu der Weinenden herab und frug mit sanfter Milde nach ihrem Begehren.– »Gnade! Gnade!“ war alles, was die Schluchzende hervorbringen konnte. Da trat Albert aus den Reihen der Knappen, kniete nieder vor des Kaisers Majestät und erzählte mit treuherziger Offenheit den ganzen Hergang.


Lebhaft schillderte er seine Liebe und den Jammer, als Johanna, durch harte Behandlung gezwungen, dem Waldmeister das Jawort gegeben.

In dieser höchsten Noth sei ihm, wie ein Rath vom Himmel, der Gedanke gekommen, daß niemand sie mehr retten könne, als der Kaiser. Um aber die Hochzeit bis zu einer glorreichen Ankunft zu hintertreiben, habe er kein anderes Mittel gewußt, als eine Johanna im Salzberg zu verstecken.

All' die gestrengen Herren vom Bergmeister bis hinab zum letzten Geschwornen runzelten bei dieser kühnen Erzählung zornig die Stirn; als sie aber bemerkten, daß des Kaisers Antlitz lächle, fanden sie alsbald, daß die Sache wirklich höchst lächerlich sei. -,-


Maximilian befahl mit scherzhafter Strenge, die beiden Delinquenten zu Tage zu fördern und in strengen Gewahrsam zu bringen, sie jedoch vorderhand nicht zu trennen, damit sie sich wechselseitig trösten könnten. Auf dem Rückwege ließ er sich die näheren Umstände des breiteren erzählen, und befahl, den Vater und den Bräutigam vor sich zu bescheiden.


Zum Waldmeister sprach er mit gerechtem Spott: Höchst unangenehm muß es seyn, wenn einem vor der Hochzeit die Braut davonläuft, sobald man aber sieht, daß der Bräutigam solch ein alter Graukopf ist wie Ihr, verwandelt sich das Mitleid alsogleich in gerechte Schadenfreude. Laßt Euch die Sache für die Zukunft zur Warnung dienen, das rath' ich Euch! übrigens wäre es nicht gut, wenn Ihr nun noch länger in hiesiger Gegend bliebet, darum will ich, daß Ihr Euch meinem Gefolge anschließt und meiner ferneren Befehle gewärtig seid!“

Dem Waldmeister fiel ein schwerer Stein vom Herzen; er küßte den Saum des kaiserlichen Kleides und ging.


Schlimmeres erfuhr wohlverdientermaßen der hartherzige, geizige Vater. Der Kaiser tadelte in gerechtem Zorne sein unchristliches Betragen und betheuerte, daß er große Lust hätte, ihn zum abschreckenden Beispiele für alle Eltern, die das Glück ihrer Kinder verhandeln, streng zu bestrafen. Als aber der Alte, zermalmt von Reue und Furcht, zu Boden fiel, um Gnade flehte und aufrichtige Besserung gelobte, wurde der Kaiser milder und sprach: „Ich will deinen Worten trauen, Alter, und dir verzeihen, wenn du augenblicklich den Bund der Liebenden segnest. Albert ist zum Steiger ernannt und für die Aussteuer deiner Tochter will ich selbst sorgen, damit deinem häßlichen Geize nicht weh gethan wird. Und nun hebe dich weg und spute dich in Erfüllung meines Gebotes!


- Alles pries die Gerechtigkeit und Milde des Kaisers; alle waren zufrieden. Der Waldmeister hegte glänzende Hoffnungen, der geizige Vater liebkoste eine unversehrten Geldsäckel; Albert und Hanne machten eine lustige Hochzeit und Maximilian versicherte, daß ihm unter seinen vielen Abenteuern kein's mehr Vergnügen gemacht als dieses.


Und wirklich vergaß der gute Kaiser mitten in seinen Regierungssorgen ein junges Ehepaar nicht. Mehrere Monate nach der Hochzeit kam ein kaiserlicher Bote in Hallstadt an, fragte nach der Wohnung des neuen Steigers und übergab kostbare Geschenke. Besonders lieblich anzuschauen war ein reicher Vorrath niedlich kleiner Wäsche und Gewänder. Und siehe da! wenige Wochen darauf wurde ein kleiner Bergknappe, angethan mit dem kaiserlichen Taufkleide, in die Kirche getragen und nach einem hohen Wohlthäter Maximilianus getauft.


Aus

Erzählungen und ein gemischter Anhang

Schuselka, Franz, 1811-1886 [VerfasserIn]

Wien: Druck und Verlag von A. Pichler's sel. Witwe, 1844. - [2] Bl., 148 S.

Kommentare


bottom of page