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„'s schwarz' Mannei“.


Susi Wallner hat sehr viele Geschichten aus Hallstatt und über Hallstätter:innen geschrieben, aber war tief im deutschnationalen Umfeld verwurzelt.

Das zeigt sich sowohl in ihren Freundschaften als auch in einigen jener Medien, in denen sie veröffentlichte. In ihren frühen Werken ist davon zunächst wenig zu spüren. Doch je älter sie wurde, desto stärker traten auch reaktionäre Tendenzen in ihren Texten hervor. Ihre Hallstatt-Schriften entstanden allerdings früher; in der Geschichte vom Goldloch lässt sich aber schon leicht ihre Einstellung erkennen.

Ihr Bezug zu Hallstatt, sie stammte aus  St. Leonhard bei Freistadt, ging auf ihren Bruder zurück, der 1895 zum Salinenarzt des Ortes bestellt wurde. Diese Ernennung löste einen Skandal aus, da die Saline dafür einen Taufschein verlangt hatte. Von jüdischer Seite wurde diese Forderung heftig kritisiert, und Hallstatt wurde in der gesamten Monarchie zum Symbol antisemitischer Praktiken bei der Bestellung von Beamten. 1, 2.

Hier ein Link zu einer interessanten Biografie von Susi Wallner.


Die folgende Geschichte ist in einer Tiroler Zeitung erschienen, daher die Tiroler Überschrift.

Die Geschichte spielt auf der Simonyhütte und erzählt die Sage von den Dirndln.


Aus dem "Tiroler Wastl", 1909

„'s schwarz' Mannei“.


"Guten Morg'n,“ sagt unser Briefträger Nimetz und reicht mir ein Schreiben, „Fräulein Susi...; 'pfehl mich.“ Wobei er nie vergisst, das „ch“ unterstrichen auszusprechen. Der Brief ist von meiner Nichte Lori und ich lese.


„Liebe Tante!

Du hast furchtbar aufgeschnitten.

Schreibst ein Weihnachtsfeuilleton aus Hallstatt und sitzest bombenfest in Linz. Wenn Du aber gleich im neuen Jahr eine wahre Geschichte von hier haben willst, dann höre mich.

Weil Du den Friedl Zenz so gern hast, besuche ich ihn jedes Mal in den Ferien.

Auch diesmal. Er ist wirklich ein prächtiger Mensch.


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Nun sagte er mir vorgestern, er wolle zur Simony-Hütte hinauf und dort übernachten. Hätte dort was nachzuschauen, Steiner zu holen für seine Schleifhütte und dann – dann trage er seine Neujahrswünsche gern hinauf zu seinen Bergen, in denen er jung gewesen und alt geworden.


Ich lief nach Hause. Holte mir Jacke, Lodenhut, Schneestiefel, Zahnbürste, Schwamm, Seife und Erlaubnis von den Eltern und ging mit Friedl auf die Simony-Hütte.

Gelt, da schaust!


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Du, ich hab gemeint, ich müsste den Bergen um den Hals fallen, nachdem ich einmal über das erste Herzklopfen beim Steigen hinaus war. Denk Dir, anfangs noch kein Bröserl Schnee. Der Reitweg so, als sei gerade der rauhfrostige Spätherbst darüber gegangen.

Nur der Waldbach ist kleinlaut geworden. Der weiß, dass ihm doch gar bald ein gewaltiger mit Eisspangen an den braunen Leib rücken wird.

Sein Paradesprung, der berühmte „Waldbachstrub freut ihn nicht mehr; und ganz oben wo er sonst zu seinem Privatvergnügen Purzelbaum schlägt, schleicht er so trübselig herunter – schier zum Erbarmen.

Der Friedl hat mein Schnaufen erst ein bissel geringschätzig belächelt. Aber dann hat er Respekt kriegt vor mir.

Je höher es ging, je leichter stieg ich mich.

Und Du weißt ja Tante, wenn erst der Hochwald herabkommt und so ein wandernd Menschenkind aufnimmt – – – wenn der Herrgott sonst nichts gemacht hätte, als den Hochwald – er … Hm! Du zeigst doch den Brief nicht meiner Oberin?- Nein! Ich weiß, Du bist verschwiegen. Und zudem – nein;

Alles der Reihe nach. Also: 

Da aber Lärchen die Tannen verdrängten und so zittrig und frostig und nadelarm dastanden, da ahnte ich den einen großen Herrscher: den Winter.

Traten ihm auch bald mit jedem Schritt auf den Schneesaum. Stapfte lustig hinter Friedl her.

Weist ja – das „Waten“ in den flockigen Wellen hat mir als kleines Dirndl schon Vergnügen gemacht, wenn wir uns um a „Schneekatherln“ gangen sind.


Und dann kündeten die niederen „Latsch'n“, die wie Höflinge krochen und buckelten, die zweite nahe Majestät:

die Gletscherwelt.

Die Wege zwischen grauem, kahlem, ausgelaugtem Gestein wurden enger, schroffer.


Dünne, spitzenkantige Steinrücken ragten vom Boden auf und schienen sich tausendmal vergrößert fortzusetzen in den Konturen der Vorberge.

Und wenn dann der Hohe, der Höchste erscheint, im Hermelin ewigen Eis und Schnees – dann kann so ein Menschlein nur einknicken und den Kopf beugen und stammeln:

Wie schön, wie schön Du bist!
Es steckt doch viel Feinfühligkeit in diesen herben Bergmenschen.
Es steckt doch viel Feinfühligkeit in diesen herben Bergmenschen.




Meiner Seel, Tante, mir ist es so ergangen.

Und der Friedl Zenz hat mich gewähren lassen und getan, als kümmere er sich nicht um mich.


Die Simony-Hütte, duftig überschneit, sah von unten aus wie ein überzuckertes Knusperhäuschen.
Die Simony-Hütte, duftig überschneit, sah von unten aus wie ein überzuckertes Knusperhäuschen.
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Ich hatte furchtbar viel zu fragen. 
Ob das der hohe Gjaidstein sei, an dem Du die wilde Jagd gesehen. 
Das dort der Krippenstein, Rückenansicht; das der und das jener. 


Und woher denn die „Dirndeln“ den Namen hätten.

„Ja, i moan halt als a Erinnerung an a alte Sag'–

„Erzählen, Friedl–“

"Ja, steig'n und red'n z'glei, dös halt der Blasbalg nöt aus.“


Ist er mit Dir auch manchmal so kurz angebunden der Friedl?

Na, Recht hatte er ja. Das letzte „Stück'l" war steil.


Und dann öffnete sich uns das Knusperhäuschen.
Und dann öffnete sich uns das Knusperhäuschen.

In der Küche war's unfreundlich. Doch Friedl hatte Feenhände. Bald flackerte Feuer im Ofen, brodelte eine Erbsensuppe im Topfe — war der kalte, düstere Raum mit warmer Dämmerung erfüllt.

Wir löffelten zusammen die Suppe, dann wischte ich mir den Mund, hockte mich nahe zum Herd auf einen Schemel zu Friedl's Füßen und sagte:


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„Jetzt erzähle die Sage von den Dirnd'ln". 

Er zündete sich sein Pfeiferl an, paffte zwei, drei Züge... eine Weile blieb er still.

Und dann begann Zenz:



Am 25. Juli 1926, nachmittags, fuhr der bekannte Motorradrennfahrer Franz Müllegger aus Bad-Ischl auf den Dachstein.
Am 25. Juli 1926, nachmittags, fuhr der bekannte Motorradrennfahrer Franz Müllegger aus Bad-Ischl auf den Dachstein.

„Na ja, da san halt amal vor go recht langer Zeit zween oder drei Dirndln als Senderinna herob'n g'west. Und wo jetzt nix neama z'seg'n is als Eis und Schnee, da sand vorher do so wunderschöne, fette Alma g'wes'n, wie weit und breit nirgends net. Da sand halt dö Senderinna recht überlaunisch wor'n und ham dö Gloßna von da Hütt'n mit n schönst'n Buda voschmirt.

Und aus'n Kas ham's Türstaffeln g'macht. 

Und g'jodelt und gsunga in ganz'n Tag und mit'n Burschna a recht a Unwes'n g'habt.

Die Fahrt wurde mit einem 500-cm3 Motorrad, Marke Omega, unternommen. Müllegger verwendete Shell-Benzin, Shell-Öl und Semperit-Bereifung.
Die Fahrt wurde mit einem 500-cm3 Motorrad, Marke Omega, unternommen. Müllegger verwendete Shell-Benzin, Shell-Öl und Semperit-Bereifung.
Und eines Tags is a schwarz' Mannei kuma. Kloan, mit an schwarz'n Mantal um; und a schwarza Vogel is eahm am Gnack g'hockt. Und der hat dena Dirndln dös Schwend'n und dös Unwes'n vemahnt und vabot'n. 

Aber dö Almerina ham na glacht und ham dös schwarz' Mannei mit Schimpf und Schand' ausgjagt.



Der Start erfolgte um 3 Uhr nachmittags in Echern bei Hallstatt. Ankunft um 4 Uhr 40 Minuten bei der Simonyhütte. Die Strecke beträgt 16 km und die Steigungen bis 40%. Die Fahrt wurde ohne Defekt vollbracht.
Der Start erfolgte um 3 Uhr nachmittags in Echern bei Hallstatt. Ankunft um 4 Uhr 40 Minuten bei der Simonyhütte. Die Strecke beträgt 16 km und die Steigungen bis 40%. Die Fahrt wurde ohne Defekt vollbracht.
Da is' gach's größer wor'n und alleweil größer — 

ja bis in Himmel is' gar eini gwachs'n und d' Fäust hat's g'schüttelt, dass grad war, als wia wann schwarze Wettawolk'n aufziagat'n.

„Ös werd's mi no empfind'n!“ hat's geschrian, daß d' Erd'n grad na zittert hat—"


Friedl unterbrach sich. Denn ich hatte seine Hand gefasst und flüsternd gefragt:

„Zenzl hören Sie nichts, was ist das, Zenzl?“

Na, was wird's denn san! Da Gletscherwind is draußt vor der Hütt'n und burt's neuche Jahr an, wia d' Katz in Hund.


Ich kuschelte mich enger an den Herd und Friedl Zenz fuhr fort:

„Ös werd's mi no empfind'n,“ hat also 's schwarz Mannei gschrian. Und da hat's a schon gwettert und kracht. Und dö alt'n, weiß'n Berg ham sö grüahrt und san aufmari worn und ham dös ganze Eis und Schnee awi glart auf dö grean Alma — das allsamd voschütt' und begrab'n is g'wen.


Seid tera Zeit stehng'n anstatt der Almhüttna grad na nackata Kogeln da und dö hoaßt ma dö Dirndln. Is Manicha schon aufganga und hat g'moant, er kunnt mit n Sackal so an Türstaffel aus Kas oder a Buda-voschmirts Fensterl ausgrab'n.

Is eahm allmal a schwarz' Mannei geg'net und hat g'sagt, wer an ganz schwarz'n Stier oder an ganz schwarz'n Hahn aufabringa mag, der kunnt' den Grund von sein' Fluach derlös'n.



Es hat sö aber bis heutig'n Tags koan so schwarzer Stier und koan so schwarzer Hahn net g'fund'n. Denn allmal war dösselbig schwarz Mannei um dö Weg und hat a weiß Haarl oder a Pflaumfederl aufblas'n.... und so is der Fluach blieb'n.


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Aber's schwarz Mannei soll no immer a mal umgehen. Es zoagt se bo dö Holzknecht und bo dö Sendarinna; steht auf amal da in da Stub'n mit sein schwarz'n Vogel.

Und es hoaßt, es soll nöt guat haus'n sein mit eahm.

Friedl erhob sich.

Frauen waschen Wäsche mit Schneewasser vom Dach der Simonyhütte. Foto: Friedrich Morton.
Frauen waschen Wäsche mit Schneewasser vom Dach der Simonyhütte. Foto: Friedrich Morton.
„So; und iatzt hol' i ins no a Holz zan Unterkent'n.“

Er ging zur Tür hinaus.

Draußen heulte der Wind, leise klangen die Scheiben. 

Ich lehnte den Kopf an die Wand eine warme, gute Müdigkeit senkte sich über mich.



Aber plötzlich klirrte das Fenster, es flog auf und herein kam eine kleine Gestalt im schwarzen Mantel, einen schwarzen Vogel auf der Schulter. Sie ging langsam auf mich zu trapp — trapp — trapp —.

Die Wäscherinnen vom Dach und ein Nazi. Foto: Friedrich Morton.
Die Wäscherinnen vom Dach und ein Nazi. Foto: Friedrich Morton.
Und draußen johlten und pfiffen und lärmten tausend grausigwilde Stimmen.

Der Schwarze fasste mich an und ich konnte mich nicht regen —

er wuchs und wurde groß und größer, und er hob mich empor und presste mich.



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Da hörte ich Friedl's rufende Stimme, unklar, wie aus weiter, weiter Ferne ein Ruck — ein Fall — ein Schrei und — und der schwarze Mann im schwarzen Mantel einen schwarzen Vogel auf dem Arme, war wieder klein geworden und stand an der Tür und hatte den Hut vom Kopfe genommen, dass die dunklen Locken frei um die lichte Stirne spielten.


Hui — ho — hui“, heulte draußen ein unheimlicher Chor — vor mir der blasse, stille Mann ... Da packte mich Grauen und Zorn und ich rief: „Was willst Du von mir, ich hab dir nichts getan — ich such keine Staffeln aus Käs und — und ich hab' keine Fenster mit Butter verschmiert und ich, ich will Dich nicht, geh fort!“


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Da wich er von mir zurück mit großem, starrem Blicke ...

„Hahaha!“ 

Ein Lachen hinter mir, so laut und herzhaft ... ich fuhr herum. Friedl stand auf der Schwelle des Nebenraumes und lachte, dass ihm die aufgeladenen Scheiter vom Arme kollerten.

„Aus is! San S' nöt bös, Herr Doktor“ 

— ging auf den schwarzen Mann zu und reichte ihm die Hand.


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„Grüaß Gott, wissen S' — ja, was, was ham S' denn da — leicht go an Krah'n — ja, Bua, aft stimmts freili'.



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„Bitte jetzt aber endlich doch Aufklärung!“ gebot der Schwarze ungeduldig.

„Ich komme heute nach Hallstatt, will den treuen Führer meines lieben Lehrers Simony wiedersehen — man sagt mir, er ist auf die Hütte mit einer „Fräulein Lori,“ ich gehe nach, tritt ein —“ 

„Ja! Hab' Ihna eh geh'n g'hört,“ fiel Friedl schmunzelnd ein.

„Hab eh von da drinn gruaft wer draußt — aber wia i eina kumma bin, san's schon inanand gwen, Sö zwoa. Ja, Schneid hat's d' Fräulein Lori, wenn's a no a weng dumm g’wen is von Napfaza“—



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Mittlerweile war's in meinem Kopfe wieder klar geworden von Geisterspuck. Ich erzählte ernsthaft meinen Traum, meine Angst — aber je länger ich sprach, je mehr fühlte ich eine unbesiegbare Lachlust aufsteigen in mir, so platzte ich los — Friedl fiel ein und der Fremde tat auch mit. Und dann setzten wir uns gemütlich zusammen so platzte ich los — ach! Das war ein Abend — ein Abend.

— — — — — — — — — —

Kurz und gut: gestern hat der Roman meines Lebens begonnen. 

Tante, er muss mein werden! Er wird, glaub' ich, auch gar nicht viel dagegen haben. Das sagen seine lieben, schönen, blauen Augen. — Heute Vorstellung bei den Eltern.



Ja, richtig! Die Krähe hat er auf dem Wege gefunden mit durchschossenen Flügeln und sie barmherzig mitgenommen. Er ist so gut! Wir haben sie, „s schwarz Mannei“ getauft.

Sie sieht uns klug und dankbar an.
Tante, wetten wir: noch dieses Jahr hast Du eine Frau Nichte!

Ich bin selig!

Küsse und Grüße!

Deine Dich liebende Lori.


P. S. Er ist ein junger Gelehrter. Du Tante, gelt, wenn Du aus meinem Briefe eine Geschichte machst für die „Österreichische“, ich kenn' Dich ja — dann betitelst Du sie: „s' schwarz Mannei“, ein ,Ausstattungsstück für die reifere weibliche Jugend.


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