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Ein oberösterreichischer Salinenort.

Aktualisiert: 15. Juli

"Ein oberösterreichischer Salinenort." in drei Teilen von Dr. Friedrich Simony, erschien in der "Österreichischen Revue" im Jahre 1867.

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Der erste Teil beschreibt die Landschaft und die Geschichte des Ortes.

Im Flur des Hauses herrscht geschäftiges Treiben. Ein Dutzend Männer, jung und alt, halten Tragsessel bereit, um einige gehescheue Damen nach dem berühmten Waldbachstrub zu befördern, während andere, so eben vom Salzberg kommend, erschöpft und schweißtriefend ihre lebendige Last absetzen.


Der zweite Teil ist eine sehr treffende Sozialreportage.

Sie berichtet von der großen Armut, die Situation der Kerntragweiber, die vielen Behinderten und wie geheiratet wird.

Heint hat der Wind

an Strennknecht verwaht;

's g'schiecht ihm schon recht,

warum geht er so stad


Der dritte Teil schildert die Arbeit in der Saline.

Der Konsumverein wird erwähnt, der ein Jahr nach dem Erscheinen dieser Reportage erst gegründet wurde. Ein Forderung dieses Vereines vom Anfang an war, die Proviantbezüge zu beenden und dafür Bezahlung zu bekommen. Was zu Spannungen führte, da viele Arbeiter dies nicht wollten.

So dürfte allmälich auch für unsere Salinenarbeiter die Zeit gekommen sein, wo der ursprüngliche Gedanke der Bruderladen auf einer breiteren Basis fortgebaut wird, und durch Schaffung neuer, außerhalb des Salinendienstes liegender Erwerbszweige einerseits, durch zweckmäßig organisirte Cousumvereine andererseits die patriarchalische Einrichtung der Proviantbezüge für die Zukunft entbehrlich gemacht werden kann.


Die Links unter den Zwischentiteln führen zu der jeweiligen Ausgabe der österreichischen Revue.


Österreichische Revue 1867

Ein oberösterreichischer Salinenort.

Ein Beitrag zur Kunde von Land und Leuten.

1


Wenn wir von dem vielbesuchten Badeorte Ischl aus den Weg nach Hallstatt einschlagen, wird unser Auge, nachdem es schon mehrmals durch malerische Punkte des bald sich verengenden, bald sich erweiternden Trauntales angezogen worden war, durch den Anblick des reizenden Beckens von Goisern gefesselt. Aus dem reichbelebten Grunde, dessen Mitte das stattliche Dorf einnimmt, stufen sich, hier als Terrassen, dort als hügelartige Erhebungen und Vorsprünge, die von den üppigsten Wiesen, bunten Baum- und Waldgruppen, von Feldern, Obstgärten und Gehöften bedeckten Gelände allmählich zu den vielgestaltigen Alpenhöhen auf, welche das Tal zu beiden Seiten begrenzen.

Noch schwelgen wir in den freundlichen Eindrücken dieser Landschaft, als sich mit einem Mal die Szene gänzlich ändert. Der farbenreiche Kulturboden, welcher uns eben noch umgab, ist verschwunden, und ein düsterer See, zwischen steil und mächtig aufsteigende Bergmassen sich zwängend, erfüllt nun den Talgrund.

Über die mehrere hundert Fuß lange Brücke bei Steeg, wo die kristallhelle Traun dem durch eine breite Klause gestauten See entstürzt, gelangen wir zu dem Haltplatze der Schiffe, die zur Talfahrt nach Gmunden bestimmt sind. Dort nimmt uns ein Dampfschiff im Duodezformat auf. Bald hat die wenig zahlreiche Fahrgesellschaft, vorwiegend aus Badegästen und Touristen bestehend, nach Tunlichkeit Platz genommen, und der Kapitän, zugleich Steuermann, gelegentlich wohl auch Gepäckträger des Schiffes, kommandiert sein „Fertig“ in den von einem zweiten Factotum beherrschten Maschinenraum hinab. Munter, wie die Beine eines frischen Jungen, arbeiten die Schaufeln in den klaren Wogen, durch welche wir noch eine Strecke lang den sandigen Grund schimmern sehen, während zur Linken ein unterseeischer Wald von dicht verschlungenem Laichkraut weithin die Untiefe kennzeichnet. Aber noch hat das Fahrzeug kaum 300 Klafter zurückgelegt, als der helle Farbton der vom Kiele durchschnittenen Fluth rasch in ein intensives Schwarzgrün übergeht und der kurz vorher noch sichtbare Boden in der jäh zunehmenden Tiefe verschwindet.*)

*) Da für manche Leser die Tiefenverhältnisse des vielbesuchten Sees einiges Interesse haben dürften, so mögen hier die allgemeinsten Resultate einer von dem Verfasser vor zwanzig Jahren ausgeführten Ausnahme des ganzen Beckens (durch mehr als 400 Messungen) Platz finden. Der über eine Meile lange See wird durch das weit hinausgeschobene Delta des Gosaubaches nicht nur bedeutend eingeengt, sondern auch durch die unterseeische Fortsetzung des ersteren in zwei ungleiche Becken, in ein unteres, kleineres, und in ein größeres, oberes, geteilt. Das untere, nördliche Becken hat zwei tiefste Stellen; die eine im ersten Drittel abwärts von Gosaumühl misst 144 Fuß, die zweite 123 Fuß; zwischen beiden zieht sich ein Wall (wahrscheinlich eine unterseeische Moräne aus der Eisperiode) quer durch den ganzen See, welcher jene zwei tiefsten Stellen um 45 Fuß und 21 Fuß überragt. Der verschmälerte Auslauf des Sees bei Steeg ist zum größeren Teile eine wenige Fuß messende Untiefe, mit Ausnahme einer gegen das Klaustor sich hinziehenden Furche, die durchaus eine Tiefe von 12—24 Fuß bewahrt und sich noch früher als die beiderseitige Untiefe gegen das Becken steil niedersenkt. In der Enge bei Gosaumühl misst die größte Tiefe 28 Fuß; von da an auswärts sinkt der Boden gleichfalls sehr rasch gegen das obere Becken, wo in der Diagonale zwischen dem Pfaffengfäll und Wehrgraben der See seine absolut größte Tiefe mit 324 Fuß erreicht. Diese behauptet er mit unbedeutenden Schwankungen von höchstens 2—3 Fuß innerhalb einer Ausdehnung von mehr als 188 Joch; dann steigt der Grund des Beckens ohne Unterbrechung bis gegen das obere Ende, d. i. bis gegen die Einmündung der Traun an, jedoch so allmählich, dass die Tiefe zwischen dem Hallstätter Mühlbach und Grub noch 372 Fuß, zwischen dem Salinenamte und dem Grubkreuz 348 Fuß, ja selbst 258 Klafter einwärts der Traunmündung noch 388 Fuß beträgt. Außer der oben erwähnten größten Untiefe bei Steeg finden sich auch noch mehr oder minder ausgedehnte, seichte Stellen am Hirschbrunnen, im Winkel und bei Obertraun. Aber auch von diesen, wie an allen übrigen Uferteilen, senken sich die Seiten des Beckens unter einem Winkel von wenigstens 25 — 35° gegen den nach der Mitte immer flacher werdenden Grund, ja hie und da, wo steile Felspartien den See begrenzen, kommen sehr schroffe, mitunter fast senkrechte Abstürze von 230 — 370 Fuß Tiefe vor. Ein derartiger steiler Abbruch zieht sich vom Grubkreuz bis zum Wehrgraben, und zwar zuerst in einiger Entfernung vom Ufer, dann aber (bei dem kleinen Jnselchen) in nächster Nähe desselben hin. Auch längs dem ganzen Markte Hallstatt stürzen die felsigen Ufer steil zur Tiefe, mit Ausnahme des Mühlbach-Deltas, dessen Kegel mit einer Böschung zum Grunde niedersteigt, die sich von 38° allmählich zur Ebene verflacht. Doch selbst hier weist der See 188 Klafter einwärts von der Ausmündung des Baches schon eine Tiefe von 248 bis 258 Fuß auf.


Während der „Hallstatt" mit einem flotten „Seelentränker" tapfer um die Wette fährt, bietet sich uns genügende Muße, über die ganze Umgebung des Sees Umschau zu halten. Zunächst werfen wir noch einen Blick zurück nach Norden, wo der See in den breiten, flachen Talboden verläuft. Dort erhebt sich aus dem Letzteren die niedrige Felseninsel des Arikogels. Wie ein boshafter Kobold, welcher es sich zur Aufgabe gemacht hat, erzsuchende Adepten zu necken, steckt dieses Bergzwerglein sein faltenreiches Greisenantlitz mitten aus dem ebenen Diluvialgrunde hervor und erzählt in mystischer Lapidarsprache von unterirdischen Schätzen, die aber zu heben noch niemandem geglückt ist. *)

*)  Auf der Ostseite des Arikogels tritt das älteste Formationsglied des Salzkammergutes, der Werfener Schiefer zu Tage. Ein in letzteren eingetriebener, aber seit lange verfallener Stollen zeigt von Versuchen zu Erzgewinnung, welche aber bald durch Ertränken des Baues abgeschnitten wurden.


Dahinter grenzen im weiten Halbkreise der Kallenberg (5868'), das Kattergebirge (5100—5500'), die Zimitz (5475'), die Hütteneckalpe (4284'), der Sandling (5428') und der Loser (5813') den Horizont des Goiserner Beckens ab, dessen anmutige Landschaftsfrische den tiefernsten Charakter des sich nun vor uns entrollenden Gemäldes noch greller hervortreten macht.

Zunächst über dem Westufer des Sees steigt das Ramsaugebirge mit dem Gosauhals, eine dolomitische Masse von mehr als 5600' abs. Höhe auf. Hunderte, von tief eingerissenen Runsen gliedern das schroffe Gehänge in ebenso viele Vorsprünge und Zacken, die sich in eigentümlicher Symmetrie pyramidenförmig übereinander aufbauen. Das düstere Aussehen der schwarzgrau verwitterten Felsen, in welchen nur hie und da eine frische Bruchstelle die ursprünglich lichte Farbe des Gesteins erkennen lässt, wird wo möglich noch gesteigert durch die zahllosen dunklen Flecke von Krummholz, welches hier stellenweise zum Fuße des Gebirges, d. i. bis zum Niveau von 1600 — 1700' herabsteigt und somit hier seinen tiefsten Standort in den Alpen erreicht. Breite Streifen gelbgrauen Schuttes, durch die grünenden Halden bis zum See herabziehend, verraten die rasch fortschreitende Zerstörung der leicht zerbröckelnden Massen, während der spärliche Baumwuchs die Sterilität des Bodens kennzeichnet.

Viel kompakter und höher, als das zerfurchte Ramsaugebirge, steigt am Ostufer der Sarstein (6280') auf. Seine langgestreckte Masse, durchaus schroff, teilweise wandartig sich erhebend, begleitet den See vom unteren bis zum oberen Ende. Die am Fuße des Berges abgelagerten Schuttlehnen sind mit Wald, an kleineren Stellen auch mit Wiesen bekleidet. Selbst einzelne Häuschen, von Obst- und Ahornbäumen umschattet, haben noch hie und da Platz gefunden, während die verschiedenen kleinen Schiffhütten am See schon andeuten, dass dieser für die Uferbewohner den Hauptverkehrsweg bildet.

Wir umschiffen nun die flache Landzunge, welche sich vor der Ausmündung des Gosautales in den See schiebt, und machen vor der Gosaumühle halt, um neue Passagiere aufzunehmen. Da drängt sich ein buntes Leben auf kleinem Raume zusammen. Nächst dem Landungsplatze tummeln sich Kutscher und Schiffer, um die ab- und zufahrenden „Herrschaften" zu Land oder zu Wasser weiter zu befördern. Zahlreiche Gäste sind bemüht, dem Naturgenusse auch stofflich unter die Arme zu greifen. Daneben tobt der Mühlbach durch das Fluder und eine Brettersäge accompagniert im monotonen Fortissimo die endlose Klappermelodie der Mahlgänge. Einige Schritte abseits ändert sich die Szene. Da sind Holzknechte damit beschäftigt, aus dem jetzt trockenliegenden „Rechen" die durch den Gosaubach getrifteten „Drehlinge*) auf die Legestätte zu schaffen, während andere das Spalten und Schichten desselben besorgen. Vor der Mündung des Hauptbaches schwimmt im See ein weiter Bogen, aus dünnen, durch eiserne Kettenringe zusammengehängten Baumstämmen bestehend, welcher die Bestimmung hat, die zeitweilig ankommenden Nachzügler des Treibholzes aufzuhalten. Ein zweiter, bereits gefüllter und ringförmig geschlossener Einfang wird mittels eines Schiffes in der Art seeaufwärts befördert, dass die Schiffer das Fahrzeug an geeigneten Uferstellen festhaken, während gleichzeitig mittels einer Winde der Holzbogen herangezogen wird.

*) Drehlinge heißen die 6 Fuß langen Stammklötze, welche aus den Schlägen durch Riesen und Klausen ins Tal gefördert, durch Bäche weiter getriftet und nach entsprechender Bearbeitung und Austrocknung als Brennmaterial in dem Salzsudwerk verwendet werden.


Noch ein Gegenstand in der näheren Umgebung fesselt unseren Blick. Es ist der Gosauzwang, eine 420 Fuß lange, fast stegartig schmale Brücke, welche auf sieben riesigen Quaderpfeilern ruhend, 138 Fuß hoch über dem Spiegel des Baches von einem Berghang zum anderen reicht und die Bestimmung hat, die Soole des Hallstätter Salzberges über das Tal zu leiten.

Unser Leviathan hat sich wieder in Bewegung gesetzt und lenkt, der Krümmung des Sees folgend, nun gegen Südwest seinen Kurs. Allmählich verschließt sich die Aussicht nach Norden, die Berge steigen, steiler und steiler auf, der Sarstein mit der weit vorspringenden Burgau im Osten, das kolossale Dachsteinmassiv im Süden, das Salzgebirge im Westen scheinen in ein einziges Ganzes zu verwachsen und das Seetal zum Kessel abzuschließen. Nirgend erblickt das Auge einen breiteren Ufersaum, nirgend eine fahrbare Straße. Nur eine Art Saumweg windet sich in wechselnder Höhe über Felsvorsprünge, Gräben und Schuttlehnen längs dem Westufer hin, und einige hundert Fuß höher lässt eine zweite, quer durch das schroffe Gehänge hinlaufende Linie die vom Salzberg herabkommende Soolenleitung erkennen.

Der Kapitän am Steuerrad, gewöhnt, die topographische Wissbegierde der Passagiere zu befriedigen, zeigt uns im Vorüberfahren den Jungfernsitz, welchen ein beharrliches Seefräulein einst im harten Felsen ausgesessen, das Pfaffeng'fäll, wo ein Priester beim Speisegange in den See gestürzt ist, den Steingraben, in welchem eine bis zum See herabreichende Trümmerhalde von dem gewaltigen, vor einem Jahrhundert stattgehabten Bergbruche Kunde gibt, von der Fahnlwand, welche Hallstatt mit dem Herabsturz bedrohen soll, und noch manche merkwürdige Stellen der Umgebung mehr.

Indes wird unsere Aufmerksamkeit auf einen spitzen Turm und eine hoch aufwirbelnde Dampfsäule an der südwestlichen Ecke des Sees gelenkt. Es sind die protestantische Kirche und das Salinenamt mit dem Sudwerk, die ersten auffälligen Punkte des Marktes Hallstatt, welchem wir uns nähern. Allmählich breitet sich derselbe, während das Schiff im weiten Bogen dem Ufer zusteuert, in seiner ganzen, malerischen Eigentümlichkeit vor unserem Auge aus.

Wir landen an der Gartenterrasse des Seeauer'schen Gasthofes. Gleich bei dem Betreten der terra firma heimelt uns gebirgsländliche Sitte an. Statt geschulter Garçons, welche uns noch in Ischl an alle kleinen Leiden und Freuden großstädtischen Hotellebens erinnerten, sehen wir jetzt muntere Kellnerinnen um die Gäste beschäftigt. Kaum haben wir an einem der Speisetische im Angesichte der großartigen Landschaft Platz genommen, als uns auch schon Gelegenheit geboten wird, mit verschiedenen, auf den Fremdenbesuch berechneten Industriezweigen des Ortes bekannt zu werden. Da bietet eine Frau allerlei Holzschnitzarbeiten, Kästchen aus Pfannkern mit eingelegten, verschiedenfarbigen Salzstufen, aus bunten Marmorarten geschliffene Muschelschalen, Salzgefäße und Schwersteine zum Verkaufe an, während ein männlicher Verkäufer das Interesse der Gäste für Petrefacte, getrocknete Alpenpflanzen, riesige Naturpfeifen aus Krummholz und Wachholder, lebendes Edelweis und andere ähnliche Schönheiten zu erwecken bemüht ist. Auch einem kleinen Jungen ist es geglückt, sich hereinzuschwärzen und in aller Schnelligkeit einige Sträuße von frischen Alpenrosen um gutes Geld an Mann zu bringen.

Im Flur des Hauses herrscht geschäftiges Treiben. Ein Dutzend Männer, jung und alt, halten Tragsessel bereit, um einige gehescheue Damen nach dem berühmten Waldbachstrub zu befördern, während andere, soeben vom Salzberg kommend, erschöpft und schweißtriefend ihre lebendige Last absetzen. Daneben treffen wieder Führer Zurüstungen zu einer Dachsteinexpedition, welche einige bergwütige Touristen zu unternehmen beabsichtigen.

Wir brechen auf, um einen Spaziergang durch den Markt zu machen und dessen Sehenswürdigkeiten zu besuchen. Schon bei der Landung hat sich ein von klaffenden Rissen durchzogenes Gebäude unserer Betrachtung aufgedrängt, welches seinem äußeren Ansehen nach für einen Getreidespeicher gehalten werden könnte, wenn nicht eine etwas ostensible Inschrift es als „evangelische Kirche" bezeichnen würde. Aber neben diesem zur Ruine verfallenden alten Bethause erhebt sich stolz, wie ein Symbol des siegenden Geistes einer neuen Zeit, der kürzlich vollendete Gottestempel der evangelischen Gemeinde, ein stattlicher Marmorbau mit hohem, schlankem Turme.

Schmale Gässchen und steile Treppen führen uns auf die große, aus dem steilen Berghange vorspringende Kirchhofterrasse, welche gegen die Seeseite hin durch einen mächtigen, auf Felsen ruhenden Quaderbau von mehr als 50 Fuß Höhe getragen wird. Hier thront die über ein halbes Jahrtausend alte Pfarrkirche, in welcher vor allem der geschnitzte Flügelaltar, ein Kunstwerk aus dem 15. Jahrhundert, jeden Kenner entzückt. Dicht neben derselben, und gleich ihr hart an die buchenbewaldete Bergwand gelehnt, erhebt sich das ebenfalls im gotischen Stil gebaute Michaelskirchlein, angeblich aus dem 11. oder 12. Jahrhundert stammend, in dessen unterem Gewölbe die Knochenreste aus den für neue Ankömmlinge geöffneten Gräbern aufbewahrt werden. Hunderte von Schädeln liegen da wohlgeordnet übereinander, die meisten derselben, einer alten Sitte gemäß, mit Namen bezeichnet, zur frommen Erinnerung für nachkommende Geschlechter. Der Terrassenraum um die Kirche ist zugleich Friedhof, aus welchem nicht nur die katholischen, sondern auch die evangelischen Glieder der Gemeinde ihre letzte Ruhestätte finden.

Von der Brüstung der Terrasse, dem schönsten Aussichtspunkte Hallstatts, können wir den größten Teil des Ortes und zugleich seine wunderliche, gedrängte Bauart überschauen. In dessen nördlicher Fortsetzung, der sogenannten Tremisch, zwängt sich der einzige, kaum 4 Fuß breite Weg zwischen höchst malerischen Häusergruppen und einem steilen Felsabsturze hin, unter welchem der schwarze Wasserabgrund gähnt. Die einzige größere Ebnung des Bodens zwischen dem Fuße des mit mehr als 50 Grad abfallenden Hallberges und dem Seespiegel bildet das an 5 Joch große, halbkreisförmige Delta des Mühlbaches, aus welchem nebst der protestantischen Kirche, dem Pfarrhofe, Pastorat, den beiden Schulen, dem Rathhause und den am See gelegenen Gasthäusern auch die durchweg gemauerten Häuser der gewerblichen Honoratioren des Ortes sich zusammendrängen. Ein irregulärer, etwa 30 Schritte langer und breiter Raum, in dessen Mitte, neben einer Mariensäule, sich der vom obersten Salzberge gespeiste Rohrbrunnen befindet, stellt den Marktplatz vor. Über ihm bilden der in klammartig ausgehöhlter Schlucht, der sogenannten „Höll,“ niederstürzende Mühlbach und die auf steiler Höhe an demselben klebenden Mühlen eine der reizendsten Veduten.

In seiner südlichen Fortsetzung ist der Markt neuerdings ganz auf den steilen Berghang angewiesen. Dorthin lenken wir jetzt unsere Schritte. Abermals rollt sich eine ganze Reihe pittoresker Bilder und Bildchen mit der Folie eines großartigen See- und Gebirgshintergrundes vor uns auf. Wie seltsam schieben sich da die Häuser in und über einander, jedes durch irgendeine architektonische Absonderlichkeit vor dem anderen ausgezeichnet. Da ragen ein paar altertümliche, turmartig schmale Steingebäude mit winzigen, unregelmäßig gestellten Fensterchen, wie Reminiszenzen aus der Zeit des Faustrechtes kecklich empor, dort schaut ein Häuschen, halb gemauert, halb gezimmert, von einem mit Efeu überschlungenen Felshang herunter, dessen flaches Dach, offene Galerie und fliegende Treppe an den Baustil unserer Alpendörfer erinnern. Ein Zickzack von kaum fußbreiten, halsbrecherischen Steinstufen führt zu demselben zwischen einem Winkelwerk ähnlicher Wohnungen hinauf. Die zum Teil in den Fels gehauene Hauptstraße, welcher wir folgen, ist eben breit genug, um zwei sich begegnenden Personen Raum zum Ausweichen zu gestatten. Auf der einen Seite wird sie bald von einer Felswand, bald von rohem Steingemäuer begrenzt, welches den Unterbau irgendeines Hauses bildet, auf der anderen lehnen sich die Dachgiebel der nächstunteren Gebäude derart an, dass man gewöhnlich durch eine Bodentür aus denselben auf die Gasse tritt. Stellenweise schützen Planken vor dem Absturz in die Tiefe; dazwischen führen schmale Stein- oder Holztreppen nach abwärts zu den unteren Häusern. Wo sich durch Terrassierung der kleinste Raum gewinnen ließ, ist derselbe von einem Baustücke oder Gärtchen eingenommen, wohl auch mit Obstbäumen bepflanzt.

Die von der Natur aufgenötigte Raumökonomie reicht so weit, dass längs dem ganzen Ufer, wo der Platz nicht von Schiffhütten oder Landungsplätzen eingenommen wird, Pfahlwerke in den See eingesenkt sind, um damit künstlich Boden zu gewinnen, ja ein paar Häuser und der an ihnen vorbeiführende Steg ruhen tatsächlich, modernen Pfahlbauten gleich, auf Piloten über dem Wasser.

Wir sind an das südliche Ende des eigentlichen Marktes gelangt. Zur Rechten öffnet sich jetzt das kurze, von der senkrechten Echernwand und dem gegen 4000 Fuß hohen Absturze des Hierlatz begrenzte Echerntal, in dessen Mündung die Ortschaft Lahn mit allen zu dem Complexe des Sudwerks gehörigen Gebäuden und dem Salinenamte gelegen ist. Behäbig breiten sich die zerstreuten Häuser zwischen Wiesen, Wiesengründen und Obstgärten hin. So freundlich und einladend sieht hier der üppig grüne Talboden aus, dass es Wunder nehmen könnte, warum nicht auf diesem ebenen Grunde der ganze Ort angelegt wurde, wenn nicht der breite mittägige Schatten der südlichen Gebirgswand die Angabe glaublich machen würde, dass die Lahn durch zwei Monate, das Amtsgebäude sogar drei Monate keinen Sonnenstrahl empfängt und selbst im Sommer nur verhältnismäßig spärlich von dem Taggestirn bedacht wird. In der Tat besteht auch die früher im Markte gelegene Saline erst seit dem Jahre 1750, wo eine Feuersbrunst den größten Teil von Hallstatt zerstörte, auf diesem klimatisch höchst ungünstig situierten Platze.

Die Umschau in einem Orte, welcher nach Lage und Aussehen seinesgleichen nicht hat, ist nun beendet, und unwillkürlich drängt sich uns die Frage nach dessen Geschichte auf. Gewiss würde es unbegreiflich sein, in dieser Abgeschiedenheit, mitten zwischen unwegsamen Bergmassen und einem tückischen Alpensee, wo nicht für die winzigste Ackerstelle, ja kaum für einige kleine Wiesenflecke Raum vorhanden ist, wo die Natur überhaupt alle Bedingungen zur bleibenden Existenz des Menschen versagt zu haben scheint, dennoch eine gegen 1200 Bewohner zählende Niederlassung zu finden, wenn nicht der unterirdische Schatz des Salzberges es gewesen wäre, welcher zur Ansiedelung angelockt hätte.

Leider ist die Zeit der Entstehung Hallstatts in undurchdringliches Dunkel gehüllt. Nur so viel darf als gewiss angenommen werden, dass vor zwei Jahrtausenden dieser abgelegene Erdwinkel schon bewohnt und der Salzberg in Betrieb war. Für beides sprechen unwiderlegbar nicht nur das vom Bergmeister Ramsauer aufgeschlossene keltische Leichenfeld am Rudolphsturme, in welchem seit 25 Jahren gegen tausend Grabstätten aufgedeckt und aus denen die verschiedensten Gefäße, Werkzeuge, Waffen und Schmucksachen aus Bronze, Eisen, Gold, Bernstein, Glas u.s.w. zu Tage gefördert wurden,*)sondern auch die wiederholten Funde ähnlicher Gegenstände nebst einzelnen römischen Münzen im Gehänge und am Fuße des Hallberges, und schließlich die Entdeckung eines höchst interessanten römischen Grabmonumentes im Echerntale. **)

*) Der allergrößte Teil dieser reichen Funde befindet sich im k. k. Antikenkabinett zu Wien.


**) Näheres darüber in v. Arneth's archäologischen Analekten. (Sitzungsberichte der philosophisch-historischen Classe der kaiserl. Akademie der Wistenschaften, Dezemberheft 1862.)


Aus einer älteren Periode des Hallstätter Bergbaues mögen auch die mannigfachen, im Inneren des Bergwerkes selbst gemachten Funde stammen. Es wurden nämlich vor Jahren ein Leichnam, und später verschiedenes Werkholz, Kohlenreste, Stücke von Fellen, gewebten Kleiderstoffen u. dgl. mitten im festen Salzkern, und zwar an Stellen entdeckt, wo seit dem jetzigen Betriebe nachweislich keinerlei Verstürzung stattgefunden hat.

Die Stürme der Völkerwanderung haben höchstwahrscheinlich auch diese Gegend berührt und den vielleicht schon geregelten Betrieb des Salzberges in Verfall gebracht.

Geschichtlich taucht Hallstatt erst um den Anfang des 14. Jahrhunderts auf, wo Elisabeth, Gemahlin Kaiser Albrecht's I., welche das Salzkammergut zur Morgengabe erhalten hatte, das Bergwerk neuerdings in Gang brachte und in Hallstatt selbst das Sudwesen ins Leben rief, vielleicht aber auch nur erweiterte und regelte. Jedenfalls hatte zu ihrer Zeit der Ort schon bestanden. Sie verlieh mittels Lehenbrief vom 21. Januar 1311 einer Anzahl Bürger die sogenannten Junkerrechte, wodurch dieselben und ihre Erben die Befugnis erhielten, Salzpfannen (im Ganzen zwölf) zu errichten, die Salzerzeugung auf eigene Kosten zu betreiben und vom Hofe dafür jedes siebente Fuder als Lohn zu beziehen. Elisabeth hatte den Ort so lieb gewonnen, dass sie in demselben zeitweilig ihren Sitz nahm und selbst eine eigene Hofburg im Markte sich erbauen ließ. Teile der letzteren sollen noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts bestanden haben. Erst der oben erwähnte Brand hat die letzten Reste des kaiserlichen Witwensitzes zerstört.

Bis zum Jahre 1514 hatten die erteilten Privilegien nicht nur keine Schmälerung erfahren, sondern waren noch, namentlich in Bezug auf den Salzhandel, erweitert worden. Erst das genannte Jahr, in welchem Erzherzog, nachmals Kaiser Ferdinand 1., eine neue Salzwesenordnung erließ, brachten einige Verkürzungen der bisherigen Gerechtsame, indem das Junkerrecht gegen Entschädigung eingezogen wurde und das ganze Sudwesen in die Regie des Staates überging.

Ein anderes Privilegium war das der Salzfertiger, welches 32 Bürgern von Hallstatt, Laufen, Ischl und Gmunden die ausschließliche Verpackung und Verfrachtung des „Füderlsalzes" auf der Traun und Donau nach Niederösterreich in die Hand gab, ein Geschäft, welches namentlich vor der vollständigen Regulierung der Traun *) mit mancher Gefahr verbunden war. Dieses Privilegium wurde im Jahre 1776 gegen eine Art erblicher Jahresrente von 300 Gulden und endlich auch die letztere mit allen längst nur nominell gewordenen Rechten und Pflichten der Salzfertiger durch eine summarische Abfindung im Jahre 1849 für immer aufgehoben.

* ) Mit der Geschichte der Traunregulierung ist der Name Seeauer innig verbunden. Schon die erste, in den Anfang des 15. Jahrhunderts fallende Anlage des großen Traunfall-Kanals wird einem Stephan Seeauer zugeschrieben. Ein Nachkomme desselben, Thomas Seeauer, hat ein Jahrhundert später neben anderen wichtigen hydrotechnischen Arbeiten (namentlich bei der Moldau) nicht nur dem oben genannten Kanale seine jetzige Gestalt gegeben und den Laufener Fall reguliert, sondern auch die Seeklause bei Steeg angelegt. Er diente als kaiserlicher Waldmeister sieben volle Dekaden unter drei Regenten und starb in einem Alter von hundertzehn Jahren (geb. 1474, gest. 1584). Er wurde in den Adelsstand erhoben; von ihm stammen die späteren Freiherren, nachherigen Grafen von Seeau ab.


War die Beseitigung der erwähnten Privilegien im Interesse des Staatsschatzes ebenso vollkommen gerechtfertigt, als mit der einheitlichen Entwickelung, des ganzen Salinenwesens notwendig geboten, so machte sie sich doch andererseits in dem einstigen Wohlstande des Ortes mehr und mehr fühlbar, und die eingetretenen Veränderungen ließen ihre Spur in den Lebensverhältnissen der Bewohner bleibend zurück.

Die Besprechung der letzteren sei einem zweiten Artikel vorbehalten.




Ein oberösterreichischer Salinenort.

Ein Beitrag zur Kunde von Land und Leuten.

Von Professor Fr. Simony.

II.



Treue Anhänglichkeit an die Heimat bildet einen gemeinsamen Charakterzug aller Hochgebirgsvölker. Kaum aber hat sich derselbe irgendwo lebendiger entwickelt, als bei den Bewohnern unserer Alpen. Die ungewöhnlich reiche Gliederung durch hunderte von tief eingeschnittenen Tälern zerlegt das ganze Hochland in ebenso viele mehr oder minder natürlich individualisierte Wohnräume, welche ihren Insassen zur eigensten, wenn auch noch so eng umgrenzten Welt sich gestalten. Das von hohen, oft unwegsamen Ketten ummauerte Tal, in dessen Grunde sich das Geburtsdörfchen des Alpensohnes birgt, ist meist höchst spärlich mit dem bedacht, was dieser zu seinem Unterhalte bedarf, ja nicht selten vermag er dort selbst das Nothwendigste nur mit Anspannung aller Kräfte zu erringen. Aber die lokale Eigentümlichkeit aller Naturverhältnisse gibt nicht nur der gesamten physischen Tätigkeit, sondern auch dem ganzen Denken der Bewohner eine bestimmte, stationäre Form und Richtung, sie bewirkt das zähe Festhalten am Herde der Vorfahren, an altherkömmlicher Arbeit und Sitte.

Je eigentümlicher sich die Naturverhältnisse eines Alpenortes gestalten, desto entschiedener tritt auch dieser Charakterzug seiner Bewohner hervor. Schwerlich aber dürfte derselbe irgendwo in höherem Grade entwickelt sein, als bei den Einwohnern des im vorletzten Hefte der Österreichischen Revue geschilderten Salinenortes Hallstatt.

Es ist schon gesagt worden, dass die Anlage, dieses Ortes geradezu an der unwegsamsten und für Bodenkultur unzugänglichsten Stelle des ganzen Trauntales ein einzig und allein durch das mächtige Salzlager veranlasst sein konnte, welches westlich über dem See in einer breiten Gebirgsspalte verborgen liegt. Auch wurde schon bemerkt, wie die Annahme, jener unterirdische Schatz gehöre zu den frühest bekannten und benutzten Salzlagern der Alpen, durch das keltische Leichenfeld am Rudolphsthurme, dann die römischen Funde im Gehänge, und am Fuße des Hallberges außer allen Zweifel gestellt sei. Ebenso gewiss läßt die beträchtliche Ausdehnung jenes Leichenfeldes es erscheinen, daß die ersten Ausbeuter dieses Salzlagers ihre Wohnstätten in dem hochgelegenen Hallbergtale selbst aufgeschlagen hatten, wo nicht nur die Alpentriften in der Umgebung des Blassen reichliche Viehzucht gestatteten, sondern auch die ringsum liegenden Forste noch Jagdbeute genug lieferten, um die Bedürfnisse der Ansiedler zu decken.

Als nach tausendjährigem Verfalle das Salzwerk wieder in Angriff genommen wurde, geschah dies nicht mehr in der primitiven Art der Vorzeit, sondern schon nach kunstgerechtem Plane. Die Ausdehnung des neuen Betriebes forderte eine Niederlassung im Tale selbst, und rief Hallstatt ins Leben. Rasch genug mochte sich der Ort auf dem kleinen Alluvialdelta des vom Salzberge herabstürzenden Mühlbaches entwickelt haben; bald bot dieses nicht mehr Raum genug für die wachsende Bewohnerschaft, und nun klebte sich Haus um Haus an die nächsten, schroff abstürzenden Ufer des Sees.

In solcher Weise erwuchs an einer Stelle, wo ohne die Nähe des Salzlagers kaum je mehr als ein paar Fischer-, Köhler- oder Holzknechthütten, ein Försterhaus oder eine Mühle, und in unserer naturbewundernden Kulturpoche höchstens noch ein Touristenhotel entstanden wären, ein ansehnlicher Markt schon zu einer Zeit, in welcher noch manche Strecke des jetzt dicht bevölkerten Außenlandes vom menschenleeren Urwald bedeckt war.

So lange aber auch Hallstatt schon besteht, hat seine Bewohnerschaft nahezu ausschließlich vom Salzberge gelebt. Bei dem gänzlichen Mangel anbaufähigen Bodens blieb dieselbe stets jeder Art landwirtschaftlicher Beschäftigung fremd. Aber auch die gewerbliche Industrie reichte mit all ihren Erzeugnissen nie über die bescheidenen Bedürfnisse des Ortes hinaus, ja sie erschien häufig genug nur als untergeordnete Beschäftigung neben der „kaiserlichen Arbeit" im Berg- oder Sudwerke. In den „stabilen“ Dienst der Saline aufgenommen zu werden, war von jeher das Streben der ganzen männlichen Bevölkerung des Ortes. Der Junge, kaum der Schule entwachsen, trachtete schon als „Werkbube“ unterzukommen und damit die erste Sprosse der Leiter zu betreten, welche oben mit der Meisterschaft endete. Bei besonderer Befähigung oder sonst günstigen Umständen blühte ihm wohl auch der Platz eines „Berg- oder Manipulationszöglings“, welcher Stufe um Stufe bis zum Beamten emporklimmen konnte. Die Vielartigkeit der Arbeiten, welche der Salinenbetrieb umfaßt, gestattete überdies der individuellen Neigung manche Auswahl. Während dem Einen die Hantierungen im Bergwerke zusagten, war das Ziel des Zweiten, ein „Pfannhauser“ zu werden; den Dritten zog das ungebundene Waldleben des Holzknechtes an, ein Vierter behagte sich in der Werkstatt oder auf dem Zimmerplatze. Aber auch ein großer Teil der weiblichen Einwohnerschaft fand eine sichere und erwünschte Quelle des Erwerbes durch die Saline, und zwar darin, dass Weiber und Mädchen sich bei dem sehr umfassenden Materialtransporte (jährlich an 30 — 40,000 Centner) von Berg zu Tal und umgekehrt beteiligten. *)

*) In dem Hallstätter Salzberge werden jährlich nebst beiläufig 5 Millionen Kubikfuß durch Auslaugen erzeugter, gesättigter Soole, von welcher aber vier Fünfteile den Sudwerken zu Ischl und Ebensee durch die über vier Meilen lange Leitung zufließen und nur etwa 1 Million Kubikfuß im Hallstätter Pfannhänse zur Versiedung gelangen, auch eine nach Bedarf wechselnde Menge (10,000 — 30,000 Zentner) Steinsalz, sogenannter „Salzkern“ gewonnen. Dieser wird vom Berge nach dem am See gelegenen Magazine durch Menschen und zwar derart auf leichten Traggestellen herabgeschafft, dass ein Teil der Last auf dem Kopfe, der übrige auf dem Rücken ruht. Weiber tragen in solcher Weise 1/2—3/4 Zentner, Männer nicht selten bis 1 1/2 Zentner den eine Stunde langen Bergweg herab. Ebenso wird auch anderes Material auf und ab gefördert. Diese primitivste aller Transportarten wäre wohl schon längst abgelommen, wenn nicht die Erwerbsbedürftigkeit der Einwohner zur Beibehaltung nötigte.


In solcher Weise, wurzelte von jeher das ganze Denken und Trachten aller Eingeborenen in der Saline, und so ist es bis auf den heutigen Tag, wo die stetig zunehmende Bevölkerung schon längst das normale Bedürfnis der Saline weit überschritten hat, geblieben. Dass es so geworden, hat wohl vor allem seinen Grund in der ganzen Organisation des Salzwerkbetriebes. Dieser, seiner Natur nach eine große Zahl von wohldisziplinierten, verlässlichen Arbeitskräften benöthigend (Hallstatt allein beschäftigt gegenwärtig im Durchschnitt über 500 Arbeiter, wovon etwa drei Fünftheile in Hallstatt, die übrigen in Goisern und Obertraun ansässig sind), konnte nur gedeihlich fortgeführt werden, wenn der erforderliche Personalstand für die verschiedenen Zweige der Manipulation stets verfügbar war. Daher mußte denn auch schon frühzeitig eine entsprechende Arbeiterbevölkerung durch Einrichtungen herangezogen werden, welche das Interesse aller Beteiligten dauernd an die Saline zu fesseln vermochten. Mäßig zugeteilte Arbeit, normales Vorrücken aus niedrigeren in höhere Löhnungen, zugesicherte Provision, d. i. Bezug eines Lohnteiles bei vorzeitig eingetretener Arbeitsuntauglichkeit, endlich die Jubilation nach vierzigjähriger Dienstzeit mit Fortgenuß des vollen letztbezogenen Lohnes waren schon ausreichende Anziehungsmittel für Bewohner einer Gegend, welche an anderen Erwerbs- und Nahrungsquellen so arm ist. Noch erwünschter aber mußte die der neueren Zeit angehörende Verfügung erscheinen, daß allen stabilen oder sogenannten kaiserlichen Arbeitern die „Fassung“, nämlich eine nach der Größe der Familie und der Lohnkategorie bemessene Menge von Korn und Schmalz um einen verhältnismäßig niedrig berechneten Durchschnittspreis gegen Abzug eines Bruchteils des Arbeitslohnes zugesprochen wurde — eine Verfügung, welche neben ihrer sittigenden Wirkung namentlich in Jahren der Teuerung sich schon wiederholt als die größte Wohltat für alle Betheiligten erwiesen hat.

Der diesem Aufsatze zugetheilte Raum gestattet nicht, die eben angedeuteten, allen Salinen des Kammergutes gemeinsamen Einrichtungen hier schon im Detail zu verfolgen, wie es auch für jetzt unterbleiben muß, ein Bild des ganzen, vielgestaltigen Organismus, welcher durch den Salzbergbau und das Sudwesen in Bewegung gesetzt wird, zu entwerfen. Beides möge einer späteren Darstellung vorbehalten bleiben. Nur des Wesens und der Lebensform der Einwohner sei gedacht, wie sich beide unter dem Einflüsse der gegebenen Verhältnisse in Hallstatt gestaltet haben.

Wer den Ort zum erstenmale und nur im Fluge besucht, wird nach jenen, Eingeborenen, welche sich am meisten seiner Beachtung aufdrängen, eine nichts weniger als vorteilhafte Vorstellung über dieselben heimbringen. Der Bettel, welcher, wie an den meisten von Lustreisenden stark besuchten Punkten, in einem lästigen Grad entwickelt ist, tritt hier noch dazu in einer seiner widrigsten Formen auf. Grinsende Cretins belagern den Eingang der altehrwürdigen Kirche, die einzige Gasse des Marktes und alle den Pfad zum Waldbachstrub kreuzenden Zäune. Noch vor wenigen Jahren hat an einem Glanzpunkte des herrlichen Echerntales einer der wildesten und zudringlichsten „Trotteln" manchen harmlosen Wanderer, namentlich Frauen, in Schrecken gesetzt. Diese an allen Wegen und Stegen auftauchenden Bilder menschlicher Entartung scheinen allerdings zu der Annahme zu berechtigen, dass man es hier mit einer physisch und geistig verkommenden Bevölkerung zu tun habe. Ein ausgedehnterer Verkehr mit derselben wird jedoch bald die ersten ungünstigen Eindrücke verwischen.

Wohl steht ein beträchtlicher Teil der Hallstätter in seiner physischen Entwicklung der übrigen Bevölkerung des Salzkammergutes nach, und in der Tat dürfte jene Art von Degeneration, welche schließlich im Cretinismus gipfelt, kaum an irgend einem anderen Punkte Oberösterreichs häufiger auftreten, als hier.

Es ist oft genug die Meinung aufgestellt worden, dass die örtlichen Naturverhältnisse Hallstatts, namentlich das Wasser, dann eigentümliche klimatische, Einflüsse, die Ausdünstung des Sees, des Bodens u. s. w. Schuld an jener traurigen Entartung trügen. In Wahrheit aber dürfte keinem der genannten Elemente irgend welcher nennenswerte Einfluss in dieser Richtung zuzuschreiben, sondern alle Ursache ausschließlich in den Lebensverhältnissen der Bewohner zu suchen sein. Als Pflanzstätte des Cretinismus müssen hier vor allem die engen, von Menschen überfüllten Wohnungen der dicht neben und übereinander klebenden, halb gemauerten, halb, gezimmerten, mit ihren winzigen Fensterchen jeder ausgiebigen Ventilation trotzenden Häuser angesehen werden. In der häufig feuchten, durch alle möglichen Ausdünstungen verdorbenen Luft eines oft kaum hundert Quadratfuß messenden Raumes lebt nicht selten eine ganze, aus 6—8 Köpfen bestehende Familie. Während der Vater auf dem Berge, im Sudhause oder im Walde seinem Geschäfte nachgeht, sucht die Mutter durch Salztragen den Erwerb zu vermehren. Die Kinder, welche noch zu klein sind, um die Schule zu besuchen, und anderer Überwachung entbehren, werden für die Zeit der Abwesenheit der Eltern daheim eingesperrt, um zu verhüten, dass sie nicht im nahen See verunglücken. Eine solche tägliche Gefangenschaft in der dumpfen Wohnung, in welche meist nur ein spärlicher Lichtstrahl zu dringen vermag, kann nicht anders als schädlich auf den zarten Organismus wirken, und der Keim des Cretinismus, der zweifellos oft genug im Mutterschoße durch übermäßige, wenn auch selbst auferlegte Belastung*) bei dem „Salzkerntragen" erzeugt, dann in den ersten Lebensjahren durch unzweckmäßige Ernährung, meist Überfütterung, fortgebildet wurde, gelangt in solcher Weise nur allzu bald, zur vollen Entwickelung.

*) Die erwiesene Schädlichkeit des Salzkerntragens bei Frauen und jungen Leuten hat endlich zu sehr zweckmäßigen, wenn auch den zunächst Beteiligten nicht immer genehmen Beschränkungen in Bezug auf das aufzulegende Gewicht geführt.


Als eine der größten und nachhaltigsten Wohltaten, welche in dieser Beziehung der ärmeren Bevölkerung von Hallstatt in neuerer Zeit zu Teil geworden sind, darf die von Ihrer kaiserlichen Hoheit der Frau Erzherzogin Sophie ins Leben gerufene Kinderbewahranstalt bezeichnet werden. Zweifellos wird durch dieselbe jenem traurigen Übel, welches von Generation zu Generation fortwuchert, in Zukunft wenigstens teilweise Einhalt getan werden.

Dass neben der mit dem Personalbedarfe längst nicht mehr im Einklange stehenden Übervölkerung und der damit stetig wachsenden Verarmung wohl auch das gänzliche Fehlen jeder Feld- und Gartenwirtschaft *) deprimierend auf die physische Entwicklung wirke, zeigt der Vergleich mit der kräftigeren Einwohnerschaft der nächstgelegenen Orte Obertraun, Aussee, Goisern und Gosau, in welchen der Cretinismus nur ganz vereinzelt auftritt. Daneben lässt sich kaum behaupten, dass die Arbeit in dem Bergwerke oder jene im Sudhause an sich einen auffallend nachteiligen Einfluss auf die Gesundheit ausübe. Wohl mag mancher Knappe während der Sommerzeit in den 3000 — 4000' über dem Meere gelegenen Bauen, wo in den obersten Stollen und Schachten (in den sogenannten Wasserbergen) eine Temperatur von 2 1/2 — 3° und selbst in den tiefsten und befahrensten Theilen nur von 6 — 7° R. zu finden ist, sich ein gichtiges Leiden zuziehen, und ähnliches wird auch nicht selten bei den „Pfannhausern“ vorkommen, wenn sie aus den 20—36° heißen Räumen des Sudwerkes zur Winterszeit ins Freie treten und ihnen der „Echernwind" eine Luft von 10— 15° Kälte entgegenweht. Immerhin aber scheint der Umstand, dass es eine verhältnismäßig nicht unbedeutende Anzahl von ausgedienten Leuten gibt, die sich ihrer Jubilation noch eine Reihe von Jahren erfreuen und häufig nicht nur arbeitskräftig, sondern auch noch rüstig genug sind, um als Führer oder Träger ins Hochgebirge verwendet werden zu können, zu dem Schlusse zu berechtigen, dass die Salinenarbeit nicht kürzend auf die Lebensdauer einwirke.

*) In ganz Hallstatt finden sich nur einige wenige Kühe und Ziegen. Das Pferd wird nur durch ein oder zwei Exemplare repräsentiert, welche sich im Besitze des Hrn. Seeauer befinden und fast ausschließlich nur zur Beförderung für Reisende benutzt werden, zu welchem Zwecke aber Passagiere, Kutscher und Pferd sich nach der Gosaumühle begeben müssen, von wo aus erst die Fahrt zu Wagen stattfinden kann.


Wenden wir uns dem geistigen Wesen der Bewohner zu, so zeigt uns dasselbe neben jenen unliebsamen Auswüchsen, die auch dem harmlosesten Alpensohne nur allzu bald durch die Berührung mit dem verdienstbringenden Städter eingeimpft werden, mehr als eine erfreuliche Lichtseite. Duldsamkeit, Verträglichkeit, Hülfsbereitheit, ein heiterer Sinn und offener Geist, Empfänglichkeit für das Schöne in der Natur und im Menschenleben sind Charakterzüge, welche hier dem aufmerksamen Beobachter in höherem Grade und ungleich häufiger begegnen, als in gar manchem anderen Orte des Landes.

Vor allem darf wohl die ungeschmälerte Eintracht hervorgehoben werden, in welcher hier Katholiken und Protestanten (letztere bilden etwa ein Dritteil der Einwohnerschaft) nebeneinander leben. Wie beide zusammen die gleichen Mühen des Tages tragen, so stehen sie auch in Freude und Leid redlich zusammen. Der Tanz vereinigt sie ebenso gut, wie das Geleite des Kameraden oder seiner Angehörigen zur letzten Ruhestätte, wo wieder alle gemeinsam eine und dieselbe Erde deckt. Neben dieser Toleranz ist aber der religiöse Sinn keineswegs verkümmert. Tritt derselbe auch nicht in so reichlichen Gebetübungen und sonstigen äußerlichen Kundgebungen zu Tage, wie in anderen Alpentheilen, so gibt er sich doch bei allen kirchlichen Anlässen und gelegentlich in einer Form kund, welche zugleich den poetischen Sinn der Bewohner kennzeichnet. Dies ist beispielsweise der Fall bei jenem Feste, welches von der katholischen Kirche in allen Teilen der Erde mit möglichster Pracht, kaum aber irgendwo in sinnigerer und erhebenderer Weise gefeiert wird, als hier.


Wenn am Fronleichnamstage ein freundlicher Himmel sich über Hallstatt wölbt, dann herrscht schon vom frühen Morgen an ein bewegtes Leben im Orte. Knappen in der schwarzen, kleidsamen Bergmannstracht stehen plaudernd gruppenweise umher, während weißgekleidete Mädchen, getragen von dem stolzen Bewusstsein einer großen Aufgabe, geschäftig von Haus zu Haus eilen. Lange Gewinde aus, Tannenreisig, mit purpurblütigen Alpenrosen durchflochten, werden zum See gebracht, und drei große Fahrzeuge, auf deren einem sich ein Altar erhebt, auf das Reichlichste ausgeschmückt. Ab und zu landen beflaggte Schiffchen mit „Herrschaften“ an den dicht mit Kähnen besetzten Uferplätzen. Alle Balkone der am See gelegenen Gasthäuser wimmeln von Fremden. Nach und nach aber wird es zwischen den Häusern stille, denn Alles geht zur Kirche. Da verkünden die weithallenden Glocken den Beginn der Prozession. Mitten auf dem Wasser wirbelt aus einer großen, nur von einigen Männern besetzten Plätte ein Rauchwölkchen neben dem anderen auf, und einige Sekunden später rollt das hundertfache Echo von Pöllerschüssen durch alle Klüfte und Schluchten der Berge. Mit einemmale belebt sich wieder der See. Die drei großen, festlich geschmückten Schiffe, dicht mit Menschen gefüllt, stoßen vom Lande ab, ihnen folgt eine Unzahl kleinerer Nachen, denen von allen Seiten immer wieder neue zuströmen, alle mit Andächtigen besetzt. Endlich macht die festliche Flotte Halt; das Altarschiff steht inmitten des Gewirres von Fahrzeugen. Die rauschende Musik des Bergcorps verstummt, und der Gesang der frommen Schar, in der Entfernung mild harmonisch zusammenfließend, wird von der leicht bewegten Luft fortgetragen. Jetzt verstummt auch der Gesang, die Menge sinkt in die Knie, und der Priester erhebt segnend das Allerheiligste über die Häupter der Andächtigen. Wieder rollen donnerähnlich die Salven längs den Talwänden hin, wieder ertönt die Musik, und fort, nun seeaufwärts, zieht die Prozession über den schwarzen Wasserabgrund hin. Es ist ein wunderbar ergreifender Anblick — diese hunderte in Anbetung versunkenen Menschen inmitten einer im vollsten Frühlingsschmucke prangenden Alpenlandschaft, in welche die schneebedeckten Häupter der Berge wie gewaltige Zeugen der Allmacht Desjenigen herniederschauen, dessen Mensch gewordenen Sohne hier das Opfer des Glaubens gebracht wird.

Wie sich das durch die großartige, wechselvolle Umgebung gesteigerte Gemütsleben in der eben geschilderten Feier kundgibt, ebenso tritt der Sinn für Natur in manchen Zügen und Gewohnheiten der Eingeborenen mehr oder minder deutlich hervor.

Vor allem ist es der See, welchem jeder Hallstätter mit Liebe zugetan ist. Buben wie Mädchen, sobald sie sich kräftig genug fühlen, ein Ruder zu handhaben, wagen sich ohne Scheu auf das trügerische Element hinaus und tummeln stundenlang das Fahrzeug auf der kräuselnden Fläche umher. Wenn ein plötzlich hereinbrechender Scirocco, das Ende des Winters verkündend, rascher als gewöhnlich den Schnee seiner Bande entledigt und nun Lawine um Lawine von den Höhen der Berge durch steile Schluchten und über Wände stäubend niederdonnert, wenn die lauen Lüfte des Frühlings die felsigen Gestade ringsum mit dem bunten Schmucke einer alpinen Flora überkleiden und der Laubwald in den tieferen Hängen sich in freudiges Grün hüllt, während alle Höhen noch im Silberkleide des Winters schimmern, dann steuert, wer Muße hat, über den See, um auf dem sonnigen Etlingbühel sich des Lebens zu freuen. Oft, in stiller Sommernacht, wenn der Vollmond über den Koppen taucht und Millionen Silberfunken über die leichtbewegte Flut streut, klingt eine jener wunderbar zu Herzen sprechenden Melodien, wie sie einzig und allein nur im Alpenlande heimisch sind, bald nur leise vernehmbar, bald in volltönenden Akkorden von irgend einem Punkte des Wassers herüber.

Aber nicht bloß seinem See, sondern auch seinen Bergen ist der Hallstätter mit Leidenschaft zugetan. Nach den weitausschauenden Gipfeln, aus die blumigen Matten zieht es ihn unwiderstehlich hinauf. Freilich wird oft eine zur Nachtstation erkorene Sennhütte zum unübersteiglichen Hindernis, sich des Sonnenaufgangs auf nächster Höhe zu freuen, und mancher Heimgekehrte vermag über das Gesehene, nur dunkle Auskunft zu geben; immerhin aber bezeugen die rings um den Hut gesteckten Alpenblumen, dass der Träger derselben „ge‘n Alm“ war.

Ohne Almstrauß kehrt kein Bursche vom Gebirge nach Hause, denn Blumen sind ein gar beliebter Artikel bei Jung und Alt, und sie erfreuen sich auch in den wenigen Duodezgärtchen des Ortes, wie in den Fenstern der Häuser einer sorgsamen Pflege. Eines der eigentümlichsten Gärtlein, welches der poetische Sinn seines einstigen Besitzers, des bekannten Dachsteinführers Loidl, geschaffen, fällt jedem Besucher des Waldbachstrubs auf dem Wege durch das Echerntal auf. Dort findet sich, mitten unter wild übereinander gestürzten Felstrümmern ein riesiger, würfelartig gestalteter Block, der Kreuzstein genannt. Ein schmaler, mehrfach gestützter Steg führt auf seinen Rücken hinauf. Oben steht ein aus Baumrinde erbautes Häuschen inmitten eines bunten Gemenges von Kohlbüschen und den zierlichsten, aus fernen Höhen zusammengetragenen Alpenpflanzen, unter welchen die weißfilzigen Dolden des Edelweiß vor allen hervorleuchten.

Die gemeinsame Arbeit im Berge, im Sudwerke, im Holzschlage oder in der Werkstatt, wo so häufig der Eine auf die Mitwirkung oder Hülfe des Anderen angewiesen ist, fördert ebenso den kameradschaftlichen Geist, wie die Abgeschiedenheit des Ortes zu einem treuen, geselligen Zusammenhalten aller Einwohner mahnt.

Wenn im Spätherbst Stürme den See aufwühlen oder schwere Nebel auf demselben lagern, wenn Wolken und Regen tage-, ja wochenlang alles ringsum verhüllen, oder wildes Gestöber Schneelast um Schneelast auf Wege und Stege lagert, wenn bei anhaltender, strenger Kälte eine Eiskruste, zu dünn und zerrissen, um Menschen zu tragen, zu fest, um von Kähnen zerbrochen zu werden, allen Verkehr zu Wasser unmöglich macht: dann möchte es wohl Manchem, der in solcher Zeit Hallstatt besuchte, immerhin dünken, dass alle Einwohner, gleich ihm, sich fortsehnen müssten aus dieser „gottverlassenen“ Wildnis. Doch jene denken nicht an das Fortgehen; sie haben längst gelernt, unter allen Verhältnissen sich hier heimischer als sonst irgendwo zu fühlen.

Der Hallstätter ist nicht kopfhängerisch, sondern sucht dem Leben, so gut es eben geht, überall möglichst eine heitere Seite abzugewinnen, ohne sich jedoch solcher Ausschreitungen der Lust schuldig zu machen, welche bei den unteren Schichten des Volkes nur allzu häufig mit den rohesten Exzessen enden.

Zur Charakteristik nach dieser Richtung möge hier die Beschreibung einer Hochzeit ihren Platz finden. Ist nach dem üblichen Aufgebote die Zeit der Trauung, für welche in der Regel ein Sonntag gewählt wird, festgestellt, so macht einige Tage vorher der „Prograder“ (Procurator, Hochzeitsbitter) in Begleitung des Bräutigams und Brautführers, mit mächtigen Sträußen künstlicher Blumen geschmückt, die Runde durch den Ort, und ladet Freunde und Verwandte in wohlgesetzter Rede zur Hochzeit ein. Die Sitte fordert, dem Einladenden einen Trunk zu kredenzen, der meist in einem Gläschen Liqueur oder Schnaps besteht — immerhin eine gefährliche Klippe, wenn die Zahl der Proscribierten groß ist, die aber bei einiger Praxis des Procurators meist mit Ehren umschifft wird. Hierauf wird für den Hochzeitstag in einem dazu auserkorenen Wirthshause das „Mahl“ bestellt und zugleich das Mahlgeld, welches schließlich die Gäste zu zahlen haben, verabredet.

Zum Trauungsakte, bei welchem die Braut mit dem üblichen Jungfernkranz geschmückt, oder wenn ihr vorzeitig etwas Menschliches begegnet war, mit der Haube bedeckt erscheint, finden sich alle Geladenen ein. Der Zug nimmt unter Begleitung von Musik seinen Weg zur Kirche und nach Beendigung der Zeremonie ebenso zum Wirthshause, wo gewöhnlich ein ausgiebiges Frühstück die Einleitung zu dem weltlichen Teile des Festes macht. Nachmittags, wohl auch erst Abends beginnt das eigentliche Mahl, bei welchem eine Suppe mit Leberklößen, Schweine- oder Kalbsbraten, dann eine Art riesiger Krapfen die Hauptgerichte bilden, dem allem sich dann schließlich noch Kaffee, in Halbmaßkrügen kredenzt, für den weiblichen Teil der Gesellschaft anreiht. Während des Mahles, welches die Kunst der Küche regelmäßig auf die Dauer von einigen Stunden ausdehnt und welches in der Regel so reichlich bemessen ist, dass die Gäste noch einen Teil desselben als „B'scheidessen“ für die Daheimgebliebenen nach Hause bringen können, findet das „Weisen“, nämlich die Beschenkung der Braut, gemeiniglich in einem Geldstücke bestehend, statt. Indes hat auch der Tanz begonnen, welcher gewöhnlich bis zum Morgen dauert.

Eine schwierige Aufgabe fällt dem Brautführer zu, denn dieser hat darüber zu wachen, dass die Braut nicht entführt werde. Aber trotz aller Wachsamkeit desselben wird das „Brautstehlen“ nur selten verhindert. Immer finden sich einige schlaue Gesellen zusammen, die den offiziellen Wächter irgendwie zu beschäftigen wissen, während andere indes sich mit der Braut aus dem Staube machen und nun von Wirtshaus zu Wirtshaus ziehend, munter auf Kosten des Geprellten trinken, der dann mit der Zahlung der Zeche die aufgefundene Braut wieder loskaufen muss. Schließlich wird die Letztere mit dem Bräutigam in dessen Behausung „heimgegeigt“.

Aber nicht die Hochzeiten allein geben Veranlassung zum Tanze, auch bei anderen Gelegenheiten wird derselbe eifrig gepflegt. So bei dem Bergfeste, welches von der Knappenschaft alljährlich begangen wird, dann bei dem Schützenfeste.

Die üblichen Tänze sind der Steirer und der Ländler. Bei beiden entwickeln die meisten Tänzer großen Taktssinn und eine gewisse Grazie der Bewegungen, die manchem unserer modernen Walzer- und Quadrilletänzer zum Muster dienen könnte. An die beiden erstgenannten Tänze reiht sich dann noch der „Schleunige“ an, welcher in einem ähnlichen Verhältnisse zu jenen steht, wie etwa die Galoppade zum Walzer. Bei allen dreien aber bildet der Gesang einen unerlässlichen Bestandteil; er ist das eigentlich animierende Element in denselben. Nach je einer Anzahl von getanzten Takten lösen sich die Paare auf, die Tänzerinnen gehen nun im Kreise fort, die Tänzer treten in die Mitte zusammen, klatschen auf Hände und Kniee, schnalzen mit den Fingern, strampfen mit den Füßen, jauchzen und jubeln, alles nach dem Rhythmus der lustig schwirrenden Geigen. Dann kommt ein oft von schallendem Gelächter durchtöntes „G‘sangl“, dessen vierzeilige Verse bald erotischen, bald humoristischen, bald auch satyrischen, häufig an anwesende Personen aus dem Stegreif adressierte, immer aber höchst urwüchsigen Inhaltes sind, wie nachfolgend einige Proben zeigen:


'S landlerisch Tanzen

Und's Geh'n bei d'r Nacht

Hat mi' zum Teufel

So liederli' g'macht.


Lustig bei'm Zapf'n,

Wo's Bier obi rinnt,

So san m'r nur lustig

Mir liederlich's G'sind.


‘Dort auf der Entersbänk

Sitzt a kreuzsauber's Mensch,

Hat a roth's Kiderl an,

Guet steht's ihm an.


Heint hat der Wind

An Strennknecht verwaht;

'S g'schiecht ihm schon recht,

Warum geht er so stad.


An Sprung über's Wasser,

An Jugezer drauf,

Du lustiger Teufelsbua

Dir mach' i an auf.


Fleischhacker Sepperl

Wann kimmst denn amal,

Daß d' m'r 's Kalbl o'stichst,

'S plärt allweil im Stall.


Gelt du Schwarzaugete,

Gelt für di' tauget i',

Gelt für di' war i' recht,

Wann i' di' möcht.


Da hör i' an singen,

Der singt aus 'n Reim;

Bald'r no amal singt,

Geht m'r 's G'sitcht aus'n Leim.


Sobald ein solcher „Vierzeiliger" abgesungen ist, scharen sich wieder die Paare (in der Regel acht) zu einer neuen Tour zusammen, welche gleich der vorigen endet, bis der ganze Ländler oder Steirer abgespielt ist.

Wer nie Gelegenheit gehabt hat, selbst einem solchen Tanze beizuwohnen, der kann sich keine Vorstellung von der fortreißenden Lustigkeit machen, die das Völkchen belebt. Und nicht bloß die Tänzer, auch die Musikanten scheinen von derselben erfaßt zu sein, denn auch sie arbeiten nicht nur mit Bogen und Saiten, sondern mit dem ganzen Körper; Kopf, Arme und Beine, alles bewegt sich nach einem und demselben Tempo. Wenn der „Schleunige“ dichte Staubwolken aufwirbelt, die Unschlittlichter an den Wänden fast erlöschen und alle Gläser auf den Tischen klirren macht, da sieht es aus, als schwänge Bacchus selbst seinen Thyrsusstab fröhlich aneifernd über dem Getümmel. Wie hoch aber auch immer die Wogen der Lust und des Übermuthes steigen mögen, so schlagen sie doch nie in das Rohe, Zügellose über.

Ein im Winter von Jung und Alt eifrig kultiviertes Vergnügen ist das Eisschießen, welches darin besteht, dass von jedem der Teilnehmer, die sich in zwei Parteien teilen, eine 12 — 15 Zoll im größten Durchmesser haltende, nach oben flach kegelförmig verjüngte und in einen Griff auslaufende, an der Basis mit einem Eisenreif umfaßte Holzscheibe auf langer, möglichst geebneter Schneebahn nach einem bestimmten Ziele geschleudert wird. Ist der See gefroren und die Eisdecke auch tragfähig, was jedoch bei Hallstatt nur in sehr strengen Wintern eintritt, so wird das Spiel zu einem wirklichen Eisschießen.

In der wärmeren Zeit des Jahres tritt an die Stelle des Letzteren das Kegelschieben und bei den bemittelteren Einwohnern das Scheibenschießen. Die wenigst beliebte Unterhaltung ist das Kartenspiel.

Die Musik wird von der männlichen Bevölkerung eifrig gepflegt. Nicht allein, dass der Ort eine wohlgeschulte Bergbande besitzt, so taucht auch zeitweilig ein Gesangverein auf.

Große Liebhaberei herrscht für das Theater, welches gelegentlich von einheimischen Dilettanten arrangiert wird. Das gespielte Stück entstammt gewöhnlich der heimatlichen Poesie. Nicht selten findet sich aber auch eine wandernde Schauspielertruppe ein, die, wenn sie den Geschmack des Publikums trifft, auf eine immerhin erträgliche Einnahme rechnen kann.

In der Art, wie das Leben Hallstatts hier geschildert wurde, lernte der Verfasser es vor zwei Dekaden kennen. Seither hat sich wohl manches geändert. Die Schießstätte im Echerntale, wo früher an Sonntagen nicht selten gegen dreißig einheimische Schützen sich zusammenfanden, steht jetzt verlassen da, oder es finden sich höchstens ein paar Überbleibsel der alten Compagnie ein. Das Bergfest pflegt mit der kirchlichen Feier schon seinen Abschluss zu finden, die Hochzeitsmahle sind gewöhnlich auf ein bescheidenes Frühstück zusammengeschrumpft, auch in der Fastnachtzeit ist es stiller geworden. Die Erschwerung der Lebensverhältnisse, welche seit zwanzig Jahren mehr oder weniger allgemein Platz gegriffen hat, übt auch hier ihren wachsenden Druck aus. Einen nicht minder bedeutenden Anteil daran haben die mancherlei vereinfachenden Reformen und eine striktere Ökonomie im ganzen Salinenbetriebe. Die Zahl der stabilen Salinenarbeiter hat ab-, jene der Einwohner dagegen zugenommen und sie wächst stetig mehr und mehr an, denn niemand entschließt sich, sein Glück auswärts zu versuchen. Der Bursche sucht, so gut es geht, im Tagwerk bald da, bald dort sein Leben zu fristen und nebenbei als Träger oder Führer der Fremden sich einige Gulden für die Not des Winters zu verdienen. Das höchste anzustrebende Ziel des Mädchens ist, für den Sommer als Kellnerin in einem der Gasthäuser des Ortes oder in ähnlicher Eigenschaft in Ischl oder Aussee unterzukommen.

Das Sichgehenlassen im altherkömmlichen Geleise, der Abgang jedes industriösen Sinnes, jeder voraussichtigen Tatkraft bilden hier, wie bei dem Großteil der Bewohner der deutschen Alpen, das ärgste Hemmnis in der Begründung und Entwickelung häuslichen Wohlstandes. Keine jener Industrien, wie sie die Bewohner der dichtbevölkerten Nordschweiz reichlich ernähren, hat hier noch Wurzel gefasst, so wenig auch den Eingeborenen die Fähigkeiten dazu, eine gute Schulbildung, offener Sinn und Handsamkeit fehlen. So sind beispielsweise die verschiedenen Arten feinerer Strohflechterei, welche in der Schweiz allein gegen 60 — 70,000 Menschen beschäftigen und denselben einen Verdienst von 4 — 5 Millionen Gulden einbringen, hier noch ganz unbeachtet geblieben, obgleich dieselben sich vortrefflich für die vielen, nur zu oft unbeschäftigten Frauenhände eignen würden. Die Holzschnitzerei und Steinschleiferei wird nur von einzelnen Personen betrieben und reicht meist über die Vorstufen der Technik und des Geschmackes nicht hinaus. Und doch ist hier nicht nur das reichlichste Material für diese beiden Industriezweige vorhanden, sondern auch ein ergiebiger Absatz durch den fortwährend wachsenden Fremdenbesuch, die Nähe von Ischl und die Wasserstraße der Traun gesichert.

Mögen bald von hochherzigen Wohltätern die Mittel geboten werden, durch welche nicht nur kunstgeübte Hände für den allgemeinen Unterricht in den angedeuteten Erwerbszweigen herangezogen, sondern auch die unentbehrlichen Vorlagen und Musterstücke zur Nachbildung beigebracht werden könnten. Alle Bedingungen sind vorhanden, Hallstatt früher oder später zu einem zweiten Berchtesgaden umzugestalten.




Ein oberösterreichischer Salinenort.

Ein Beitrag zur Kunde von Land und Leuten.

Von Prof. Fr. Simony.

(Schluss

III.


Ein vielgestaltiges Leben ist es, welches der Betrieb einer Saline hervorruft, vielgestaltig insbesondere dort, wo, wie in den Salinen des Alpenlandes, in Folge der geognostischen Beschaffenheit der Salzflötze, der meist hohen Lage derselben, endlich der mancherlei Schwierigkeiten im Zubringen des erforderlichen Brennstoffes ein verhältnismäßig ausgedehnter technischer Apparat und zahlreichere Arbeitskräfte in Anspruch genommen werden.

Das Letztere gilt auch von dem oberösterreichischen Salinenorte Hallstatt, dessen landschaftlicher Charakter und Bewohner schon in früheren Heften ihre Besprechung fanden.

Es hieße oft Gesagtes und Beschriebenes wiederholen, wollten wir den Lesern dieser Blätter eine Darstellung des technischen Betriebes, wie er in den Salinen des österreichischen Alpenlandes vor sich geht, entwerfen. Derselbe soll hier nur so weit berührt werden, als Lebensweise und Erwerb der Bewohner damit im Zusammenhange stehen.

Der „Berg", das Pfannhaus und der Holzplatz sind die Stätten, auf welchen ein halbes Tausend Menschen ihren Unterhalt finden. Aber wie verschieden sind da und dort deren Beschäftigungen, wie verschieden der Schauplatz ihrer Tätigkeit! Während der Knappe in der kalten Nacht der unterirdischen Baue seine Arbeit vollbringt, der „Pfannhauser" dagegen Tag um Tag, Nacht um Nacht sich in der heißen Dampfluft des Sudwerkes abmüht, ist der Holzknecht im vollsten Sinne des Wortes ein Sohn der freien Natur, ein Bewohner des duftigen, lichtdurchglitzerten Waldes.

Zuerst dorthin, wo der noch unergründete Salzschatz, von der ewig neu gestaltenden Natur vor Äonen zwischen bergenden Alpenmassen aufgespeichert, jetzt von Hunderten rühriger Hände durchwühlt, geläutert und an das Tageslicht gefördert wird zum Nutzen des Menschen!

Unmittelbar über dem vom See bespülten Markte Hallstatt erhebt sich der buchenbewaldete Hallberg. Ein breiter, bequemer Gehweg führt in zahlreichen Windungen über denselben empor. Der Weg besteht schon seit Jahrhunderten und viele, viele Menschen sind denselben gewandelt, darunter manche Große und Mächtige, wie beispielsweise folgende, in einer Mauerböschung angebrachte Inschrift besagt: Hie. hat. gerast, der. hochlöblich. Röm. kinig. Maximillia. alls. er. gangen, ist. die. Saltzperg. zu. besehen, den 5. Tag. Januarj. Ao. 1504. Früher war der Weg viel steiler und mühevoller; damals mochte für die vielen lasttragenden Menschen das alte Bild am Wege, den kreuztragenden Heiland vorstellend, mit dem Spruche: Nehme dein Kreuz auf dich... ein gar gutes Trostwort sein. Vor einigen Jahren aber wurde die Zahl der Serpentinen verdoppelt und dadurch die frühere Steilheit um ebensoviel vermindert.

Der Weg führt am Rudolphsturm vorbei, welcher schon 1080 Fuß über dem Spiegel des Sees gelegen, auf einem Felskopfe tront, der vom oberen Rande des Hallberges aus den Eingang des Salzbergthales beherrscht. Der Rudolphsturm, um das Ende des dreizehnten Jahrhunderts von Albrecht I. als Schutzwehr gegen die den neu eröffneten Bau gefährdenden Befehdungen errichtet und nach dem erlauchten Stammherrn der Habsburger benannt, entspricht nur wenig noch seiner ursprünglichen Bedeutung. Allerlei Um- und Zubauten haben den „Turm" nach und nach seines altertümlichen Gepräges beraubt und ihn in ein modern aussehendes Gebäude umgestaltet, welches dem ersten Beamten des Bergwerkes (Bergmeister) zur Wohnung dient. Von Rudolphsthurm zieht sich das Salzbergtal zuerst mit schwachem, dann aber immer wachsendem Ansteigen nahezu eine Stunde westwärts bis zu den Abstürzen des 6200 Fuß hohen Blassen, an dessen Nord- und Südfuße Steige über 4500 bis 5000 Fuß hoch gelegene Alpenböden nach dem jenseitigen, zum Gosauthale abdachenden Gehänge führen. Auch dort, dem Hallstätter Salzbergtale gegenüber, wurde im dreizehnten Jahrhundert, und zwar durch die Äbte von Admont, Salz gewonnen, der Bau aber bald durch die das Monopol anstrebenden Erzbischöfe von Salzburg zerstört und seither nicht wieder erschlossen.

In nächster Nähe des Rudolphsthurmes breitet sich jenes zweitausendjährige Leichenfeld aus, welches nicht nur als eine der ergiebigsten Fundstätten aus der Keltenzeit, sondern auch als ein unumstößlicher Beleg für das hohe Alter des Hallstätter Salzbaues das allgemeinste Interesse angeregt hat.

Eine kleine Strecke aufwärts münden die ersten Stollen des Bergwerkes. Dasselbe darf sowohl seiner horizontalen als vertikalen Erstreckung nach zu den ausgedehntesten unter seines Gleichen im Alpengebiete gezählt werden. Es zerfällt in elf, um je 100 — 120 Fuß senkrecht voneinander abliegende Etagen, von denen die sieben unteren mit ihren zahllosen Stollen, Schürfen, Sinkwerken, Schachten und Wehren das Salzflötz durchziehen, ohne dessen Grund bisher erreicht zu haben, *) während die vier oberen Stockwerke (Wasserberge) zur Aussammlung des für die Erzeugung der Soole nötigen Wassers dienen. Das oberste der letzteren, der hohe Wasserberg, ist schon in einer Meereshöhe von 4000 Fuß gelegen.

*) In neuerer Zeit wurde der Bau des mit einem stattlichen Portale gezierten Franz-Josephsstollens begonnen. Derselbe mündet am Hallbergwege, 350 Fuß unterhalb des Rudolphsturmes. Er hat nicht nur den Zweck, die tiefsten, bisher noch unangegriffenen Teile des Salzstockes zu erschließen, sondern auch als Hauptförderungsstollen für den ganzen Bergbetrieb zu dienen. Seine Vollendung dürfte indes noch manches Jahrzehnt erfordern.


Zahlreiche Gebäude liegen über den wellig ansteigenden Boden des Salzbergthales zerstreut umher. Es sind die Wohnungen der Schaffer, Steiger und anderer dem Knappenpersonal vorstehenden Aufseher und Meister.

Aus allen ragt dominierend das große Berghaus (3200 F. Meereshöhe) hervor. Dasselbe umfasst nebst der Kanzlei die für die Knappen außer der Arbeitszeit erforderlichen Räumlichkeiten, eine gemeinsame Küche, Schlafstube u. s. w. Eine Sägemühle, eine Zeugschmiede, ein Zimmerplatz, eine Werkstätte, eine Holzknechtstube, ein Kohlenmeiler vervollständigen dieses alpine Etablissement, als dessen höchstgelegener Vorposten der petrefakteureiche Marmorbruch am Steinbergkogel gelten kann.

Außer dem bereits erwähnten Wege führen noch zwei andere Pfade zum Salzberge hinauf. Als ein solcher ist die Soolenleitung anzusehen, welche, von der großen „Salzstube" *) am Rudolphsthurme auslaufend, zuerst mit steilem Gefälle in die wildromantische Schlucht der „Höll" hinabführt, durch welche der Salzbergbach zwischen tief ausgehöhlten Kalkwänden in einem mehr als 700 Fuß hohen Katarakt zum Markte hinabstürzt. Nach Überbrückung des Baches mittels eines kühn gespannten Steges zuerst in den senkrechten Absturz der linksseitigen Klammwand eingeschnitten, zieht sich dann vom Ausgange der Höll der „Strenn" als ein durchschnittlich drei Fuß breiter Weg hoch an dem westlichen Berghange des Hallstätter Seetales hin, allmählich immer tiefer niedersteigend, so dass derselbe bei der Überschreitung des Gosaubaches (Gosauzwang) den Seespiegel nur noch um 200 Fuß überragt. Bei Steeg hat die Leitung sich dem Talboden schon so weit genähert, dass sie in ihrem weiteren, noch vier Meilen langen Verlaufe bis Ebensee mit dem Talboden ein nahezu gleiches Gefälle einhält.

*) Ein aus starken Bohlen errichtetes Gebäude, welches der aus dem Berge geleiteten Soole zum Reservoir dient. Durch einen auf der Außenseite angebrachten einfachen Apparat wird die Höhe der Soole im Inneren ersichtlich gemacht und zugleich die Menge der in einer bestimmten Zeit abgeflossenen Soole gemessen.


Der „Strenn" ist der Bergweg für jene Knappen, welche in den abwärts vom See gelegenen Orten zu Hause sind. Wohl benutzen viele derselben nach Gelegenheit auch ein von Steeg oder Letten nach Hallstatt ruderndes Fahrzeug; im Winter jedoch, wo der See nicht selten in Folge von Eisbildung unfahrbar wird, vermittelt die Leitung ausschließlich den Verkehr zwischen dem unteren Tale und dem Bergwerke.

Ein dritter Pfad führt aus der Lahn durch das Echerntal an dem vielbesuchten Waldbachstrub vorbei, über den in die Lauterbachwand gehauenen Gangsteig und die „Schlapf'n" (Schleife) zum oberen Salzberg hinauf. Derselbe wird selten von den Arbeitern, umso häufiger von Touristen und Sommergästen Ischls betreten. Zur Erbauung der Letzteren haben die Führer und Sesselträger Hallstatts den nichtssagenden „Gangsteig" zu einem vielversprechenden „Gamssteig" umgetauft. Mit Gemsen hat übrigens der für übernervöse Naturen immerhin etwas schwindelerregende, sonst aber vollkommen sichere Felsenweg nichts zu schaffen.

Werfen wir nun einen Blick in den Betrieb des Bergwerkes. Montagmittag beginnen die Arbeiten in dem unterirdischen Labyrinthe. Schon in den Morgenstunden setzen sich die Knappen der entlegeneren Orte in Bewegung. Da schwimmt ein vollbemannter Nachen vom unteren See gegen Hallstatt, dort kommen gleich dicht besetzte Kähne von Obertraun herüber. Auch die Hallstätter, aus denen ein Großteil der Knappenschaft besteht, rüsten sich zum gewohnten Wochenwerke. Mit dem ledernen Proviantsacke, in welchem sich Brot, Mehl, eine Büchse mit Schmalz, nebst dem unentbehrlichen „Schoten" (eine Art süßen Käses) befinden, über dem Rücken, wandern die Kameraden, die weise Grußformel des Landes (Zeit lassen!) gewissenhaft beachtend, in gemächlichem Schritte über die Serpentinen des Hallbergs hinauf. Dort und da bietet ein bedeckter Rastplatz erwünschte Gelegenheit, das während des Gehens erloschene Pfeifchen wieder „anzukenten" oder dasselbe mit neuem Brennstoffe zu laden.

Nach fünfviertelstündiger Wanderung ist das obere Berghaus, der allgemeine Sammelplatz der ganzen Mannschaft erreicht. Dort werden durch die Beamten und Meister die Arbeiten für die Woche verteilt und nach abgekochtem Mittagsmahle, mit dem üblichen „Glück auf!" die erste Schicht angetreten.

Es wurde schon erwähnt, dass die Ausbeutung der alpinen Salzlager, welche meist nur in kleinen Mengen reines Steinsalz liefern, während die größere Menge desselben durch Auslaugen als Sudsalz gewonnen wird, zahlreichere Arbeitskräfte in Anspruch nehmen, als dies in anderen ähnlichen Werken der Fall ist. So beschäftigt der Hallstätter Salzberg, welchem jährlich an 26 000 Ctr. Salzkern (davon 20 000 Ctr. in Mehl zur Bereitung von Viehsalz verwandelt) und 4 % Mill. Kubikfuß gesättigte Soole *) entnommen werden, gegen 250 Menschen.

*) Ein Kubikfuß dieser Soole, 26.5 Proc. an fixen Bestandteilen enthaltend, gibt 18 Wiener Pfd. Kochsalz.


Dass bei einem so ausgedehnten Betriebe und großem Personalstande eine bestimmte Gliederung in dem ganzen Arbeitsorganismus Platz greifen muss, dadurch aber auch unter den Arbeitern selbst wieder mancherlei mehr oder minder subtile Rang , oder besser gesagt Kastenunterschiede sich auszubilden vermögen, welche, wenn auch nicht offiziell, so doch konventionell von Generation zu Generation ihre Geltung behalten, lässt sich leicht begreifen.

Unter den Knappen, welche in Bezug auf Lohnverhältnisse in vier Klassen geteilt sind, stehen die Häuer obenan. Diese haben den Abbau der Steinsalzstöcke, das Sprengen und Einhauen der Stollen, Schachte und Sinkwerke sowie die Anlage der Wehren **) zu besorgen. Ihnen reihen sich die Rüster an, welchen alle Arten von Grubenzimmerungen zukommen. Mit der Aufsammlung und Überwachung der Grubenwässer, mit der Leitung derselben in die Sinkwerke und Wehren sowie mit der Ableitung der fertigen Soole aus den letzteren sind die „Wasserer" betraut. Dann folgen die Lettenschlager, welche die in den Werken nötigen Verdammungen mit ausgelaugtem Salztone zu vollführen, und die Säuberer, welche das ausgelaugte Haselgebirge teils aus dem Berge zu schaffen, teils an solche Stellen zu bringen haben, wo Versetzungen und Ausfüllungen sich als notwendig oder zweckmäßig erweisen. Den vorgenannten „Kategorien" sind schließlich noch eine Anzahl Knappenknechte als Förderer und „Truchner" zu verschiedenen Hilfsleistungen zugetheilt.

**) Unter Wehren werden jene Räume verstanden, in welchen das Auslaugen des Haselgebirges durch das eingeleitete Wasser stattfindet. Ihr ursprüngliches Volumen beträgt 5000 bis 6000 Kubikfuß, wächst aber bei fortschreitender und wiederholter Auslaugung auf 150 000 bis 500 000 Kubikfuß.


Neben den im Bergwerke selbst beschäftigten Knappen ist eine Anzahl von Individuen in Verwendung, welche verschiedene Arbeiten außerhalb des ersteren auszuführen haben. Da gibt es Schmiede, denen die Zurichtung und Reparatur des nötigsten Arbeitszeuges obliegt, Kohlenbrenner, die für jene den nötigen Brennstoff, Sägeschneider und Zimmerleute, welche das in den Gruben erforderliche Rüstzeug liefern, mehrere Wächter, welche in den Zeiten, wo in den Gruben nicht gearbeitet wird, dieselben zu durchwandern und nachzusehen haben, ob nicht ein Grubenbrand, ein einsickerndes Gewässer, ein Bruch in den Zimmerungen, das Bersten oder Ablösen einer Bergmasse irgend einem Teile des Baues Gefahr bringe. Noch sind die „Pastler" zu nennen, offizielle Factotums und Universalgenies, welche überall, wo es Not tut, aushelfen, hier eine löcherig gewordene Pfanne flicken, einem schadhaften Stuhl auf die Beine helfen, eine zertrümmerte Fensterscheibe einfügen, eine widerspänstige Schwarzwälderin zurechtbringen, dort einen gebrochenen Grubenkarren wieder zusammenfügen, einen Hackenstiel anfertigen, eine Säge schleifen u. dgl. m. Und endlich ist des „Gäumels" zu gedenken, eine Art von Stubenmädchen und Küchenmagd zugleich, der, während die Bergleute in den Gruben beschäftigt sind, die Säuberung der Knappenstube, das Zutragen von Holz und Wasser, das Anzünden des Feuers auf dem großen Kochherde, die Reinigung und das Zurechtrichten der Kochgeschirre, das Heizen und ähnliche häusliche Dienstleistungen vorzunehmen hat.

Die Arbeiten im Bergwerke dauern von Montag bis Freitag mittags und sind in sechsstündige „Schichten" derart verteilt, dass der Knappe von 6 Uhr morgens bis mittags, dann von 2 Uhr nachmittags bis 8 Uhr abends in der Grube verweilt, für die ganze Woche also 48 Stunden Arbeitszeit und ebensoviel auf die Mittagsrast und Nachtruhe kommen. Von Freitagmittag an ist der Knappe Herr seiner Zeit und in der Lage, der Besorgung seines Haushaltes nachzugehen; eine Begünstigung, welche insbesondere für jene Bergarbeiter von Wert ist, die sich des Besitzes einer Feldwirtschaft erfreuen.

Ein geringeres Maß freier Zeit ist dem außerhalb des Bergwerkes beschäftigten Personal zugeteilt. Die Arbeiten des Letzteren beginnen montags um 9 Uhr und enden erst am Samstagmittag.

Nur eine Arbeit im Berge duldet keinerlei Unterbrechung; es ist die Überwachung der Wasser- und Soolenleitungen, welche den Wässerern und Cimentierern zukommt, daher bei diesen auch für einen regelmäßigen Dienstwechsel gesorgt ist.

Erscheint das Bergmannsleben gegenüber den meisten menschlichen Hantierungen im Allgemeinen als ein so mühevolles und insbesondere gefährliches, dass wir kaum ein Bild desselben in uns hervorzurufen vermögen, ohne zugleich der mancherlei schaudervollen Episoden zu gedenken, von welchen uns nur allzu häufig Bücher und Zeitungen erzählen, so bietet der alpine Salzbergbau im Vergleich mit den meisten Erz-, noch mehr, aber mit den Kohlenbauen nicht allein weniger Beschwerden, sondern namentlich ungleich weniger Gefahren dar. Der Häuer hat es hier weder mit kieselhartem Gesteine, noch mit lockeren Schwemmgebilden, sondern mit einer im Ganzen leicht zu bearbeitenden und doch kompakten Formation zu tun. Die in vielen Erzgruben nicht nur alle Arbeiten erschwerenden, sondern auch unausgesetzt gefährdenden Grubenwässer machen sich hier nicht fühlbar, weil die ganzen Terrainverhältnisse eine Aufsammlung und Ableitung aller Tag- und Bergwässer in besonderen Etagen ermöglichen. Da alle Stockwerke des Baues nicht nur durch zahlreiche Schachte, Schürfe und Sinkwerke unter sich verbunden sind, sondern auch auf jedem Stockwerke wenigstens ein Stollen tunnelartig zu Tage führt, so ist die Kommunikation eine ungeschmälerte, und längere Absperrung größerer Räume selbst dann kaum möglich, wenn Losbrüche oder sogenannte Niedergänge von bedeutendem Volumen stattfinden. Schlagende Wetter gehören zu den Seltenheiten, und wo sie vorkommen, wird durch den ungehinderten Luftwechsel ihre Schädlichkeit auf das kleinste Maß reduziert. Die Geschichte der Salzbergbaue hat daher nur wenige Unglücksfälle, und wenn solche vorkommen, meist nur von geringem Umfang zu verzeichnen.

Auch die sanitären Verhältnisse, welche in vielen Bauen durch stetes Einatmen giftiger Staubteile (von Arsenikerzen), metallischer Dämpfe (Quecksilber) oder schädlicher Gase und verdorbener Luft mehr oder minder beeinträchtigt werden, erscheinen in unserem Berge nicht gefährdet. Als der einzige auf die Gesundheit der Knappen nachteilig einwirkende Umstand könnte vielleicht die niedrige Temperatur angesehen werden, welche durch alle Räume des Baues herrscht. In den inneren Teilen der 3600 — 4000 Fuß hoch gelegenen Wasserberge zeigt das Thermometer das ganze Jahr hindurch nur 3 — 4 Grad, in den unteren Etagen durchschnittlich 5 — 6 Grad R. Wärme. *) Nur an jenen Plätzen, wo eine größere Zahl Arbeiter sich zusammenfindet, erleidet die natürliche Grubentemperatur durch die den menschlichen Körpern und den Grubenlichtern entströmende Wärme eine vorübergehende Steigerung. Im Übrigen zeigen sich größere Temperaturschwankungen nur in der Nähe der Stollenausgänge und in jenen Strecken, wo ein besonders energischer Luftzug stattfindet.

*) Die normale Wärme der Bergwerksräume findet sich am genauesten ausgedrückt in der Temperatur der „Einschlagwerke", d. i. jener Wehren, in welchen gesättigte Sole durch längere Zeit aufbewahrt bleibt. Der Verfasser fand keine der untersuchten Solen über 5°, dagegen mehrere unter 4° R. stehend.


Wie groß aber auch, namentlich im Sommer, die Temperaturgegensätze sein mögen, welchen die Knappen ausgesetzt sind, so kommen doch bei ihnen jene Krankheiten, deren Ursprung auf Erkältungen zurückgeführt werden kann, nicht häufiger vor, und ebenso ist das Sterblichkeitsverhältnis nicht ungünstiger gestaltet, als bei der übrigen Bevölkerung. In der Tat gibt es nicht wenige Häuer, welche als Sechziger noch rüstig ihren Arbeiten nachzugehen vermögen.

Vergebens würde auch der Physiognome nach einer Spur des melancholisch ernsten Zuges forschen, welcher jenen Unglücklichen aufgeprägt ist, die zu einem ununterbrochenen Trogloditenleben verurteilt sind. Bei unseren Knappen sind Nacht und Tag gleichmäßiger verteilt. Nach sechsstündiger Arbeit oder doch längstens am Ende einer vollen Tagschicht verlässt er die Grube und freut sich an seiner Nockenpfanne oder Suppenschüssel des Daseins, in welchem der heitere Sinn des Älplers stets sein Recht behauptet, der nur noch munterer aufflackert, wenn zu Zeiten in den Kreis der Kameraden ein Krüglein Bier, vom Ganymed des Salzberges kredenzt, freundlich hereinblinkt.

Nahe dem südwestlichen Ufer des Sees, dort, wo der schroff aufsteigende Hierlatz den größeren Teil des Jahres hindurch noch um Mittag einen breiten Schatten wirft, streckt sich ein ansehnliches Gebäude hin. Über demselben wirbelt stetig eine Dampfsäule auf, sie ist das Barometer für Hallstatt. Steigt sie senkrecht, luftig, leicht und schlank zur Höhe, ist gute Witterung zu hoffen; lastet sie breit, schwer, wolkenartig über dem Platze, so bedeutet dies Regen. Dieses weithin sichtbare Hygrometer größten Stieles ist das Pfannhaus, in welchem allstündlich gegen hundert Eimer Sole zum Versieden gebracht und in festes kristallinisch-körniges Kochsalz verwandelt werden.

Verschiedene andere Gebäude bilden die Umgebungen des Sudwerkes. Unmittelbar von dem Letzteren weg führt eine breite Steintreppe zu dem stattlichen Amtshause, welches, auf einem kleinen, abgeplatteten Vorsprunge des Hierlatz sich erhebend, den größten Teil des Sees und seiner Umgebungen beherrscht. Es ist der Sitz der Salinenverwaltung. Hart am Ufer macht sich der zwei Stockwerke hohe Getreidespeicher, unmittelbar gegenüber dem Pfannhause das Salzmagazin bemerkbar. Ein aus Quadern erbauter breiter Kanal, zur Einfahrt der zu befrachtenden Salzzillen und der von entfernteren Legestätten Brennstoff zuführenden Schiffe bestimmt, reicht bis zum Sudwerke heran. Mehrere große in den See gebaute Schuppen bergen die verschiedenen Transportfahrzeuge der Saline. Ein weiter „Aufsetzplatz", vor welchem ein starkes, in den Seegrund gerammtes Pfahlwerk eine Art Hafen und zugleich eine Schutzwand gegen andrängende Sturmwellen bildet, ist mit dicht aneinandergereih­ten, mächtigen Stößen sechs Fuß langen Spaltholzes, dem Feuerungsmaterial des Sudwerkes, bedeckt. Tausende von Drehlingen, welche mittels Holzbogen über den See geflößt wurden, sind zum Austrocknen aufgeschlichtet und harren noch des Spaltens. Ferner sei noch der Schiffswerfte, der Zimmerwerkstätte und endlich der Zeugschmiede, als integrirender Bestandteile unserer Saline, Erwähnung getan.

Das Pfannhaus ist das Herz Hallstatts, in der Lahn pulsiert das eigentliche Leben des Ortes. Die Arbeiten des Berges teilt der Hallstätter mit den Einwohnern der nächstgelegenen Dörfer, die „Hütte" dagegen und deren Anhängsel sind seine fast ausschließliche Präbende. Wie Hallstatt erst der Anlage von Sudwerken, wenn nicht seine Entstehung, doch jedenfalls seine frühere Blüte zu danken hatte, so würde die Aufhebung des Pfannhauses es auf das Empfindlichste berühren. Die Ausführung des schon wiederholt angeregten Gedankens, alle oberösterreichischen Salzsiedereien in der Nähe der Lignitlager des Hausruckwaldes zu vereinigen, dürfte indeß bei den gegenwärtigen Wertverhältnissen des Holzes im Salzkammergute sich kaum zu einem Ersparnis bringenden Unternehmen gestalten und darum auch die angedeutete Gefahr für Hallstatt vorläufig noch ziemlich fern liegen. Übrigens wird schon seit langer Zeit (1607) die größere Menge der Hallstätter Sole — gegenwärtig an 3 1/2 Millionen Kubikfuß — nach Ebensee geleitet, während in Hallstatt selbst nur 1.0 — 1.2 Millionen Kubikfuß im Jahre zum Versieden gelangen.

Das nur eine Pfanne enthaltende Sudwerk in der Lahn nimmt 70 — 80 Arbeiter in Anspruch. Davon sind 18 unmittelbar bei der Pfanne, ebenso viele mit dem Formen des Salzes, 10 Mann bei der Dörrung, 20 — 24 Mann mit dem Tragen der Salzstöcke „Füderl" von Raum zu Raum während der verschiedenen Manipulationsstadien, endlich 7 Mann mit der Magazinierung beschäftigt.

Wie auf dem Berge, so im Pfannhause findet nicht nur eine bestimmte Gliederung des ganzen Arbeitsvorganges, sondern auch eine gewisse Rangordnung unter dem Personal selbst statt. Allen voran stehen die Ober- und Unterpehrer, dann die Vorzieher und Salzausfasser, welche mit dem Heranziehen und Ausheben des während der Verdampfung auf der Oberfläche der Sole sich stetig ausscheidenden, feinkristallinisch-körnigen Salzbreies zu tun haben; dann gibt es Solenpumper und Salzwascher, endlich am Feuerraume die Schürer und Holzeinleger. Das Formen des Salzes in den Kufen ist die Aufgabe der Stößer, welchen noch die Kranzelschneider und Helfer beigesellt sind. Bei der Dörrung finden wir die Salzeinsetzer, Dörrer, Hülfsdörrer und Dörrputzer; im Magazine den Registerführer, die Numerierer, Wäger und Wagknechte. Unter den verschiedenen Salzträgern gehören die Füderltrager zu den Honoratioren des Personalstandes, während dagegen die Austrager bei der Dörrung und die Vertrager bei der Magazinirung schon auf den untersten Stufen der Pfannhauser'schen Gesellschaftsleiler stehen.

Der ganze Vorgang des Sudprozesses bringt es mit sich, dass von nächtlichen und wöchentlichen Arbeitspausen, wie sie im Bergwerke stattfinden, hier nicht die Rede sein kann. Während der Dauer eines Sudes, der 12 — 15 Tage in Anspruch nimmt, gestatten die Arbeiten an der Pfanne keinerlei Unterbrechung. Die an der letzteren Beschäftigten wechseln daher von sechs zu sechs Stunden in der Weise, dass auf jeden Mann eine Arbeitszeit von zwölf Stunden kommt.

Jedem Sude folgt eine fünfvierteltägige Pause, in welcher der Zustand der Pfanne und ihres Zubehörs untersucht und die notwendig gewordenen Ausbesserungen und Ergänzungen vorgenommen werden. Einmal im Jahre aber findet die „große Zuricht" statt, welche nach Umständen acht bis vierzehn Tage dauert. Dies ist die Zeit der Staubferien für die Mehrzahl der Bediensteten des Sudwerkes.

Die Arbeiten bei der Pfanne nehmen fast durchweg ein bedeutendes Maß von Kraft in Anspruch, und manche derselben, wie das Salzausfassen und Füderltragen, bedürfen eine durchaus feste Konstitution. Die Anstrengung wird noch gesteigert durch die hohe Temperatur, welche in vielen Räumen des Sudwerkes, namentlich in den Dörrkammern, herrscht. Auch fehlt es nicht, gleich wie auf dem Berge, an besonders widrigen Hantierungen, nur sind sie dort und hier von entgegengesetzter Natur. Auf dem Berge gehören zu den wenigst beliebten Aufgaben die Arbeiten in den Wasserstollen, wo der Knappe in Räumen, die oft so eng sind, dass sie weder das Aufrecht stehen, noch ein freies Umwenden gestatten, während der ganzen Schicht einer dichten Traufe eisig kalten Wassers ausgesetzt ist. Umso heißer dagegen hat es der Zurichter im Feuerungsraume, indem er, mehr liegend als sitzend, unter der Pfanne bei einer Temperatur von 35 — 40° R. zu manipulieren genötigt ist.

Außer den unmittelbar im Sudwerke Beschäftigten ist dem Hüttenamte noch eine Anzahl von Arbeitern der verschiedensten Kategorien untergeordnet, als da sind: 15 Zimmerleute, 7 Maurer und 3 Schmiede, dann Holz- und Steinarbeiter, ferner 5 Fuderführer für den Salztransport über den See bis Steeg und 32 Schiffleute für die Traunfahrt. An der Seeklause bei Steeg sind zwei Klausknechte und ein Klaus Wächter, bei den Wasserbauten im Traunfluss eine wechselnde Zahl von Wehrern bedienstet.

Als eine noch vor wenigen Jahren im Personalstande des Hüttenamtes besonders genannte Sippe sind die „Steinbewahrer" zu verzeichnen — eine wahre Charakterstaffage der Hallstätter Landschaft. Ihnen kam die Aufgabe zu, die schroffen, brüchigen Berghänge über dem Sudwerke und Markte, so wie über der Soolenleitung und allen frequenten Wegen stetig zu untersuchen, und wo sich Ablösungen größerer oder kleinerer Felspartien bildeten, die den Absturz drohenden Massen durch vorsichtige allmähliche Zerkleinerung zu beseitigen. Gegenwärtig werden diese Arbeiten, welche nicht selten ziemlich halsbrecherischer Natur sind, meist von fuß- und handfesten Holzknechten besorgt.

Der Betrieb von Salinen, in welchen für die Versiedung der Sole ausschließlich Holz als Feuerungsmaterial verwendet wird, bedingt nicht nur ein ausgebreitetes, wohlgepflegtes Waldgebiet, sondern auch zahlreiche Arbeitskräfte zur Herbeischaffung des nötigen Brennstoffes.

In der Saline Hallstatt, wo die jährlich erzeugte Menge von Sudsalz zwischen 170,000 — 220,000 Ctr. schwankt, darf der Totalbedarf an Holz auf durchschnittlich 8000 Wiener Klafter veranschlagt werden, wovon auf das Sudwerk 6000 bis 7000 Wiener Klafter an Brennholz und ca. 400 Klafter an Bau-, Zeug- und Schiffsholz, für den Salzberg etwa 500 Klafter Brennholz und gegen 150 Klafter an Bau- und Zeugholz entfallen.

Die Herstellung dieses an sich schon bedeutenden Quantums, zu welchem dann noch mehr oder minder ansehnliche Mengen von nach Außen abzugebendem „Versendholz" hinzukommen, fällt den Holzknechten zu, deren beiläufig hundert als Bestandknechte, Kluber und Aufsetzer teils ständig, teils vorübergehend im Dienste der Hallstätter Saline, speziell des Forstamtes stehen.

Da dem Holzknechte, dieser typischen Gestalt im alpinen Volksleben, ein besonderes Bild in diesen Blättern gewidmet sein soll, so glauben wir, das ihn Betreffende umso mehr übergehen zu können, als bei der großen Ausdehnung des in Anspruch genommenen Waldbezirkes, Hallstatt selbst ohnehin nur ein verhältnismäßig kleines Kontingent auf den Holzplatz stellt, die bei weitem größere Zahl der Holzknechte aber sich aus den Nachbarorten, namentlich aus dem Gosautale rekrutiert.

Zum Schluss nun einige Worte über die Lohnverhältnisse.

Alle Salinenarbeiter teilen sich in stabile und interimale, d. i. in solche, welche eine ständige, und solche, welche nur vorübergehende Verwendung finden. Auf dem Berge ist nahezu das ganze Personal (240 Mann) stabil, auf das Sudwerk und den Holzplatz kommen beiläufig je sechzig ständige Arbeiter.

Der stabile Arbeiter wird nur bei groben Disziplinarvergehen, bei wiederholten Unordnungen in der Arbeitsleistung, herrschender Trunksucht sowie in Folge von Wilddieberei und sonstigen Konflikten mit dem Gesetze aus dem Dienste entlassen; er erhält bei eintretender Arbeitsunfähigkeit vor vierzigjähriger Dienstzeit Provision, nach vierzigjährigem Dienste die Jubilation, ist also pensionsfähig. Der Interimalarbeiter ist auf den Tageslohn beschränkt, hat jedoch bei längerer Verwendung und nachgewiesener Tauglichkeit Anspruch auf Einrückung in die Reihe der stabilen Arbeiter.

In Bezug auf Löhnung sind die stabilen Arbeiter in Klassen geteilt. Bei der Knappenschaft gibt es deren vier; in der ersten Klasse beträgt der Grundlohn für die sechsstündige Schicht 40 1/2 kr., in der zweiten 29 kr., in der dritten 23 kr. und in der vierten 20 kr. Bei den Arbeiten im Gedinge steigert sich jedoch der Lohn in der ersten Klasse auf 52, in der zweiten auf 35 kr. Im Sudwerke kommen Abstufungen des Lohnes für die sechsstündige Schicht von 53 47/100 kr. bis zu 26 1/4 kr. vor. Ähnlich verschiedene Lohnsätze finden sich auch bei den Holzarbeiten wieder; da die Letzteren jedoch durchgängig ins Gedinge gegeben werden, so kann hier der Erwerb eines Holzknechtes für die zwölfstündige Tagesschicht je nach der Art der Arbeit den Betrag von 80 bis 115 kr. erreichen.

Eine wichtige, in ihren Wirkungen auf die Lebensverhältnisse der Arbeiter und ihrer Angehörigen zweifellos wohlthätige Einrichtung ist der Proviantbezug, durch welchen jeder stabile Arbeiter für seine Person Korn und Schmalz, für Weib und Kinder das erstere allein (als sogenanntes Familienkorn) nach einem fixen Minimalpreise (den Metzen Korn zu 94 kr., das Pfund Schmalz zu 17 1/2 kr.) in einer mit den Klassen abstufenden Menge zugeteilt erhält. So kommen beispielsweise dem Bergarbeiter erster und zweiter Klasse 8 Metzen Korn und 48 Pfund Schmalz zu, während auf den Arbeiter vierter Klasse nur 6 Metzen Korn und 36 Pfund Schmalz entfallen.

Das Familienkorn ist für alle Klassen gleich, und zwar mit 5 Metzen für das Weib, 2 1/2 Metzen für jedes Kind bis zum zwölften, beziehungsweise vierzehnten Lebensjahre, bemessen.

Eine weitere Begünstigung für den Arbeiter in Bezug auf die „Fassung" ist der vollständige Wegfall des für die letztere stattfindenden wöchentlichen Lohnabzuges, sobald der Preis des Kornes eine bestimmte Höhe (wenn wir recht berichtet sind — 4 fl. 50 kr.) überschreitet.

Die Einrichtung des Proviantbezuges hat für die Betheiligten nicht nur ihren materiellen Wert in einer Gegend, deren Boden den Nahrungsbedarf der Bevölkerung nur zum kleinsten Teile zu decken vermag und wo daher auch eine Verteuerung der Lebensmittel sich für jeden doppelt fühlbar macht, der einzig und allein auf einen fixen Gelderwerb angewiesen ist; sie übt auch eine moralische Wirkung auf den Arbeiterstand insofern aus, als sie einer leichtfertigen Vergeudung des Arbeitslohnes Schranken setzt und die Familie wenigstens teilweise vor den Folgen derselben schützt.

Noch ist der Bezug von 12 Pfund Salz für jedes Glied der Familie — ein Benefiz, an welchem übrigens alle Bewohner des Salzkammergutes Teil haben, *) — ferner freie Cur und unentgeltlicher Schulunterricht zu erwähnen. Endlich werden jedem stabilen Berg- und Holzarbeiter 5—6 Klftr. Holz „am Stock" angewiesen. Die Hüttenarbeiter dagegen, welche nicht gleich den Knappen über freie Tage in der Woche zu verfügen haben, denen es also auch an Zeit gebricht, ihr Brennmaterial selbst zu fällen und heim zu schaffen, erhalten 5—7 1/2 Klftr. sogenanntes „Brockenholz", welches für sie an den nächstgelegenen Aufsetzplätzen bereit gehalten wird.

*) Außer dem unentgeltlichen Salze genießen alle im Salzkammergute Ansässigen die Begünstigung, eine nach den Umständen bemessene Menge von Brennholz (5—10 Klafter), dann Zeug- und Bauholz (1/5 — 6 Klftr.) gegen einen mäßigen Stockzins (für die Klftr. Brennholz 17 kr., für die Klftr. Zeug- und Bauholz 1 kr.) auf einer von Fall zu Fall angewiesenen Waldstelle schlagen zu können.


Während einer Krankheit ist der stabile Arbeiter auf halben Lohn gesetzt. Bei dauernder Unfähigkeit wird er Provisionist, und muss sich dann, selbst wenn ihm nur ein Jahr und weniger von den erst für die Jubilation befähigenden vierzig Dienstjahren fehlt, mit einer Abfertigung von 35 kr. für die Woche begnügen. Diese karge, noch auf dem alten, ebenso ungerechten als widersinnigen Pensionsnormale fußende Bemessung dürfte wohl der Verbesserung in einer Zeit, wo eine der Billigkeit gewissenhafter Rechnung tragende Regelung der Ruhegehalte Platz zu greifen beginnt, umso mehr entgegensehen, als bei der stets zunehmenden Vereinfachung der Manipulation die Zahl der Arbeiter stetig vermindert wird, überdies aber auch die Aufnahme der Letzteren in den stabilen Dienst gewöhnlich schon in ein so vorgerücktes Lebensalter fällt, dass die Zahl derjenigen, welche noch zum Genusse der Jubilation gelangen, sich immer mehr vermindern muss.

Der „Jubilant", d. i. derjenige, welcher als stabiler Arbeiter eine ununterbrochene Dienstzeit von vierzig Jahren glücklich hinter sich gebracht hat, bezieht einen wöchentlichen Ruhelohn von 2 fl. 10 kr., doch fällt bei ihm sowohl der Proviantbezug, als das Familienkorn fort.

Die Witwen und Waisen der stabilen Arbeiter werden nach Umständen mit Provisionen und Gnadengaben beteilt. Ihnen ist auch vorzugsweise der Erwerb des „Kern- und Salzmehltragens" vom Berge herab zum Magazin in der Lahn vorbehalten.

Fünfzig bis sechzig weibliche Geschöpfe teilen sich in diesen harten, aber für die meisten dennoch geradezu unentbehrlichen Verdienst.

Eine Quelle der Unterstützung nicht nur für die Hinterbliebenen, sondern auch für die vor der Zeit erwerbsunfähig gewordenen Arbeiter bilden die Bruderladen der Berg-, Hütten- und Holzarbeiter, welche gegenwärtig schon ein ziemlich ansehnliches Kapital (die Knappenlade an 20,000 fl., die Holzknechtlade gegen 15,000 fl.) repräsentieren. Dieselben werden durch eine fortlaufende Abgabe von zwei Prozent des wöchentlichen Handlohnes nicht nur erhalten, sondern auch ständig vermehrt, indem von dem jährlichen Zinserträgniß wohl der größere Teil den Bedürftigen zugutekommt, ein nicht unansehnlicher Rest jedoch regelmäßig kapitalisiert wird.

Die Bruderladen, so weit deren Gründung auch zurückreichen mag, sind doch nur erst als primitive Keime eines Assoziationswesens anzusehen, dessen Prinzipien in der Gegenwart, von engherzigen Zunftanschauungen sich ablösend, in immer weiteren Kreisen zur Geltung und Ausführung gelangen. So dürfte allmählich auch für unsere Salinenarbeiter die Zeit gekommen sein, wo der ursprüngliche Gedanke der Bruderladen auf einer breiteren Basis fortgebaut wird, und durch Schaffung neuer, außerhalb des Salinendienstes liegender Erwerbszweige einerseits, durch zweckmäßig organisierte Konsumvereine andererseits die patriarchalische Einrichtung der Proviantbezüge für die Zukunft entbehrlich gemacht werden kann.







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