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Der Todtenmaler zu Hallstadt

Reich an Bildern, reich an Hoffen,

Kehrt vom fernen Tiberstrand

Heim der jung Maler, Diether,

In sein schönes Alpenland.


Hat er doch den Kranz errungen,

Der so wen'gen aufgespart,

Und mit ihm Marei, die Liebste,

Die nun sein mit Sehnsucht harrt.


Und so schläft er, selig träumend,

Auf der Hallstadt schwarzer See

Und in süße Wonne senket

Ihn der heißgeliebten Näh'.


Sieh, da winkt die Gosaumühle,

Räderklappern, Fluthgebraus!

Diethers trunk'ne Blicke fliegen

Weit dem trägen Kahn vorraus.



Und zum Fährmann spricht der Maler

In dem Antlitz Morgenschein:

„Kennst du wohl des Gosaumüllers

Rosenwangig Töchterlein?“


„Ei, wie sollt ich sie nicht kennen?

Die der Schmuck der Gegend war,

Führt' ich doch den Brautzug selber

Nach der Hallstadt zum Altar.“


„Wessen Brautzug?“ fragt erbleichend

Diether.- „Jenen von Marei;

Gab es Kränze da und Bänder,

Und Musik und Jubelei.“


„Aber mit dem nächsten Morgen

Nahm sie schon der Fremde fort,

Und seitdem scheint wie verödet

Mir die Sägemühle dort.“


„Soll ich euch hinüber fahren,

Sprecht vielleicht beim Alten ein?“

Aber Diether, schmerzvernichtet,

Schüttelt mit dem Haupte: Nein.


Und mit tiefzerriss'nen Herzen

Fährt der Hartgetäuschte fort,

Flatternd in den Wind die Locken,

Ohne Zeichen, ohne Wort.


Und zu Hallstadt, ans Gestade

Steigt er d'rauf, zum Tod erschlafft,

denn versiegt ist all sein Hoffen,

Und gebrochen seine Kraft.


Seine schönen bunten Bilder

Senkt er alle in die Fluth,

Mag in Zukunft nimmer malen,

Was auf Täuschung nur beruht.


Und so lebt' er still und einsam,

In dem düstern Felsrevier,

Seinen tiefen Schmerz nur nährend,

Und den Harm, den Harm nach ihr.


Zu dem Friedhof am Gestade

Wallt er täglich nur allein;

Meidend, was gehört zum Leben,

Will er nur bei Todten sein.


Brütend sitzt er dort und starret

Nach der Grotte in der Wand,

Die gefüllt mit bleichen Schädeln

Bis hinan zum Deckenrand.


Plötzlich dämmert ein Gedanke

In ihm auf, wie Mondenschein;

„Tod, du einziger Getreuer,

Ja, dein Maler will ich sein!“


Und er nimmt sich einen Schädel

Aus der Höhle mit nach Haus,

Was nur mag der Träumer wollen

Mit dem Todtenbein voll Graus?


Sieh, ein buntes Kränzlein malet

Ziehrlich er ums kahle Haupt,

Rothe Rosen, gelbe Veilchen,

Daß man sie fast blühen glaubt.


D'rauf zur Stelle trägt er wieder

Das Gebein, woher er's nahm,

Um ein Zweites zu bekränzen,

Wie's geheißen ihm sein Gram.


Also malte er und malte

Tag um Tag, und Jahr um Jahr,

all die bleichen Todtenschädel,

Die der letzten Zierde baar.


Malte Jedem um die Schläfe

Einen schönen bunten Kranz,

Rothe Rosen, gelbe Veilchen,

Mit dem hellsten Farbenglanz.


Und so malte er und malte,

Noch als Greis, verwelkt und schwach,

Bis dem armen Todtenmaler

Einst das Herz, das kranke brach.


Aber auf dem Friedhof droben

Siehst du noch die Schädel all,

In dem düstern Totenkeller,

Einen grausen Knochenwall.


Bleiche Stirnen, hohle Augen,

Zwischen Blumen, gelb und roth,

Ob sich wohl der Maler dachte:

Schön'res Sein entkeimt dem Tod.

Anmerkung:

Auf em Friedhofe zu Hallstadt, welchen zu besuchen ich jedem Fremden, der überaus reizenden Lage wegen, anrathe, befindet sich ein ziemlich räumliches Gewölbe, welches der Todtenkeller genannt wird, und in dem ein vollständiger Altar aus bemalten Todtenschädel errichtet ist. Zur Weihnacht wird in dieser Todtenkapelle ein nächtlicher Gottesdienst gefeiert. Als Merkwürdigkeit zeigte mir unter Andern auch der Totengräber einen Schädel, um dessen Schläfe statt des gewöhnlichen Rosenkranzes eine Schlange gemalt war. Wie er erzählte, so soll er einen Bergmann angehört haben, welcher im Schlafe von einer Schlange gebissen wurde, und in Folge dessen starb.

Vogl


Ballade von Dr. Joh. R. Vogl.

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