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Brigitta Gamsjägerin, die erste Protestantin von Gosau.

Aktualisiert: 27. Aug. 2022





Brigitta Gamsjägerin, die erste Protestantin von Gosau.

Von Mila Nowak.

„Bedrängt mich einst die Welt noch bänger,

So such ich wieder Dich, mein Tal —" Die beiden Zeilen sind aus einem reizenden Gedicht von Uhland. So oft ich dies Gedicht lese, muß ich immer an das Gosautal denken. Dieses grüne Stückchen Gebirgswelt leuchtet in meinem Geiste auf mit seinen traulichen Häusern in den breiten Wiesen und Feldern, mit seiner wilden rauschenden Pulsader, dem Gosaubach, und seinen Bergmauern, die es so fest zu um­schließen scheinen, so daß man versucht ist, zu glauben, Unfriede und Weh könnten hier nimmer Einlaß finden, so friedlich läuten die Glocken der Herden, so friedlich lächelt die Sonne auf die Wege und im friedvollen Schweigen ragt im Rücken des grünen Tales die blaue Kette der Donnerkogeln auf, durch ihre Majestät den Gedanken an Gott erweckend, der durch seinen Sohn ver­künden ließ: „Selig sind die Friedfertigen; sie werden Kinder Gottes genannt werden."— Und heute ist Gosau auch ein Tal des Friedens. Friedlich schauen die beiden Kirchen zusammen, in denen die Gosauer an den Sonntagen nach zwei verschiedenen Glaubensbekenntnissen dem Herrn dienen. Doch dem war nicht immer so. Daß unter den einfachen, gutmütigen Gebirgsbewohnern Meinungsverschiedenheiten in Sachen des Glaubens Zwietracht herbeigeführt hätten, ist wohl schwer anzunehmen. Jeder Gosauer hätte wohl dem andern seinen Glauben ruhig gelassen und nichts dreingeredet, niemanden von den Bauern wäre es eingefallen, die Andersgläubigen zu verachten oder mit aller Kraft bekehren zu wollen, Verfolgung und Anfeindung kamen vielmehr von oben, von der Kanzel und vom Fürstenstuhl. Lange hatte Luthers Lehre zu kämpfen. Es gab eine Zeit in Gosau, wo Luthers Anhänger dort tief in die Höhlen der Berge flüchten mußten. Noch jetzt ist das sogenannte „Wildfrauen­loch" als ein solcher Zufluchtsort der damaligen Zeit bekannt. Auch die Bibel, jenes Buch, das selbst von ganz un­gläubigen Gebildeten geschätzt wird, war ein Gegenstand der Ver­folgungen, sie wurde den Lutheranern entrissen und verbrannt. Doch immer wieder wußten die Protestanten sich ihr geliebtes Buch zu verschaffen, mit Vorsicht und Kühnheit wurde die Bibel immer wieder in die Gosauer Bauernhäuser eingeschwärzt. Eine besonders hervorragende Schmugglerin in diesem Fach war die Bäuerin Brigitta Gamsjägerin, die sogenannte Klein-Kröpflin, die auf dem Kleinkröpflhaus im Vordertal war, das dritte Haus links, wenn man auf der Straße in das Gosautal hineingeht. Von ihrer ganzen protestantischen Verwandtschaft war sie die eif­rigste und sie besaß auch den Mut, ihre Überzeugung hie und da durchschimmern zu lassen, obwohl dies sehr gefährlich war. Doch kam auch für den armen Menschengeist eine bessere Zeit. Schon Kaiserin Maria Theresia hatte so manche grausame alte Einführung aufgehoben, doch beschränkte sie sich durch Auf­hebung der Folter mehr auf den Körper, aber in ihrem edlen Sohn Josef II, reiften sich die guten Eigenschaften dieser großen Habsburgerin so recht aus und er war auch ein Befreier auf dem Gebiet des Geistes und Gemütes. Seine vielen Wohltaten vermehrte er am 18. April durch Herausgabe des Toleranzediktes, das in seinem Staate auch den Anhänger Luthers die Ausübung ihrer Religion gestattete. Die Kunde dieser befreienden Tat verbreitete sich bald über das ganze Land und drang auch in das Gosautal. Man erwartete nun, daß das Edikt von der Kanzel aus verkündigt würde. Daher ging jeder Gosauer, der überhaupt gehen konnte, am folgenden Sonntag in die Kirche. Es war ein Ostersonntag und die Kirche war so voll, wie sie schon seit langer Zeit nicht mehr gewesen war, denn die heim­lichen Protestanten hatten es sich manchmal überlegt, in die katholische Kirche zu gehen und oft waren sie vor lauter Überlegen gar nicht zum Kirchenbesuch gekommen. Nun aber war jeder auf seinem Platz und horchte nach der Kanzel hin. Unter ihnen stand natürlich auch Brigitta Gamsjägerin und ihr be­geistertes Herz klopfte rasch unter dem dunklen Spenser. Jedoch der Pfarrer hielt seine Predigt, aber vom Toleranz­edikt und dem Kaiser Josef hörte man kein Wort. Kopfschüttelnd verließen die Gosauer Lutheraner nach dem Gottesdienst die Kirche. „Was is das?" fragten Männer, Frauen und Kinder durcheinander, bis sie ein alter Mann tröstete: „Habts nur Ge­duld, er wirds halt nachmittag sagen." „Mir wollen's hoffen," sagte Brigitta Gamsjägerin und sah auf ihre Kinder, die vor ihr gingen und flehte im stillen zu Gott, daß diese nicht mehr so um ihren Glauben zu kämpfen haben möchten wie ihre Eltern. Ihr Mann, der ihr zur Seite schritt, nahm sie an der Hand und sagte: „Sei nur ruhig, Gitta, unser Herrgott wird schon alles recht machen, und verrat Dich derweil noch nit. Ich hab allweil so viel Angst um Dich. Du bist so viel verwegen." „Angst sollst nit haben, denn ich steh ja in Gottes Hand. Ich bin nit verwegen, ich vertrau nur auf Gottes Schutz. I hab nie Angst." Sie drückte seine starke Hand und ging ergeben neben ihm, aber ihre frischen Augen sahen klug und entschlossen zu ihm auf und sie lachten ganz vergnügt, und wenn die Augen seiner Gitta so mutig lachten, dann spürte auch der Gamsjäger nichts mehr von Angst. Am Nachmittag zum Segen also kamen wieder alle Gosauer in die Kirche und als das liebe alte Segenlied verklungen, der Tabernakel geschlossen war und die heilige Handlung ihr Ende gefunden hatte, wendete sich der Priester zum Volk und sagte ihm mit lauter Stimme, daß es der Kaiser von nun an er­laube, daß sich auch die Lutheraner frei bekennen, und wer lutherisch gesinnt sei, könne sich beim Brandwirt drüben als Protestant in ein Buch einschreiben lassen, jedoch er hoffe, daß in seiner Gemeinde so kein Anhänger Luthers sein werde. Der Pfarrer wußte wohl selbst, daß er sich irrte. Gleich von der katholischen Kirche weg ging ein ganzer Zug Menschen zum Brandwirt hinüber. Zuerst hatten sie alle geglaubt, sie müßten aufjubeln vor Freude, und ein Bursch hatte auch schon einen langen Juhschrei angefangen, aber er kam nicht da­mit zu Ende, sein Dirndl packte ihn am Arm „Um Gotteshimmelschristiwillen, Sepp sei stad, wir müssen ja erst sehen, wies's trenten is, bedenk doch, eppa habens uns nur a Fall glegt!" „A Fall?" Der Sepp juchizte nicht weiter und schlug sich auf den Mund. Die solange Unterdrückten und Geprüften waren miß­trauisch geworden. „Sie wollen uns fangen, daß sie uns dann ausweisen können, vertreiben von Haus und Heimat!", ging ein Flüstern und Summen durch ihre Reihen. Und das Gosautal prangte im klaren Frühlingssonnenlicht und die Wiesen waren wie besäet mit kleinen himmelblauen Enziansternen und goldenen Schlüsselblumen und die Gosauerhäuser sahen ihre Gosauerbauern mit blinkenden, wichtigen Fensteraugen an, als wollten sie so recht eindringlich sagen: „Aber, Ihr werdet uns doch nicht davongehen!?" “Lass'n mar uns Zeit, lass'n mar uns Zeit —" Dies Wörtlein schwebte in allen Tonarten über dem langen Zug der heimlichen Protestanten, der zum Brandwirt hin­ schlich. Er wurde immer langsamer, aber schließlich kam er doch vor der Tür des Wirtshauses an. Dort sah es aus, als wolle niemand hineingehen. Die Männer, die in der verstohlenen Luthergemeinde das meiste galten, standen zuförderst beratend beieinander. Was war zu tun? Sie wurden nicht eher einig, bis eine Frau ihnen zeigte, was zu tun sei. Brigitta Gamsjägerin ging ruhig zu ihnen hin und er­klärte: „I geh hiatzn, i laß mich einschreiben— bei mir weiß ja eh schon ein jeder Mensch, daß i Protestantin bin, wenns ums Austreiben wär, hättens mich schon längst austreiben müssen. I geh hiatza!" Und sie ging. Die Stube, in die sie trat war schier wie in Gold getauscht, so hell lachte die Lenzsonne hinein. Der Schreiber, der vor dem neuen Pfarrbuch saß, sah erstaunt über seine Brille hinaus, als die erste Bekennerin des neuen Glaubens ein Weib war. Er schüttelte den Kopf und brummte etwas, schrieb auf Gittas Geheiß ihren Namen an erster Stelle in das Buch und meinte dann halb scherzhaft, halb respektvoll: „A Kuraschi hast. Du— Leut, Du— hätt schon bald gsagt, „Du Ketzerin"— aber dös derf ma jetzt nimmer. Du tätst in Kaiser gfallen. Na, pfüat Dich Gott, jetzt schick mir halt die andern eina. Gschehn tuat ihnen nix." „Pfüat Dich! Die Andern wern schon kumma," lachte Gitta und ging wieder zu ihren Leuten hinaus. Und als sie die Gitta so lachend vor sich sahen und sie ihnen noch versicherte, daß der Herr Schreiber ein kurzweiliger Mensch sei, da lachten die Gosauer Protestanten auch mutig und sorgenbefreit und gingen scharenweise fröhlich in die sonnige Stube und ließen sich auch einschreiben. Mit glücklichem Gesicht ging Gitta, begleitet von Mann und Kindern heim. Das war ein schöner Sonntag für die Prote­stanten von Gosau, ein rechter Sonnentag und die Osterglocken hatten diesmal für sie wirklich Auferstehung geläutet, Auferstehung der Geistesfreiheit. Die erste Protestantin von Gosau ist auch unter den heutigen Gosauer Protestanten nicht vergessen. Ihre Nachkommen leben noch im lieben Gosautal, einige davon aber sind auch nach Hallstatt hinaufgekommen. Es ist hier nicht die Stelle, sie aufzuzählen, sie selber wissen schon, daß die mutige Gitta ihre Ahne war. In ganz unparteiischer Absicht und aus rein geschichtlichem Interesse habe ich hier Frau Gittas mutige Tat erzählt. Es liegt mir fern, irgend einen Angehörigen der katholischen Kirche ver­letzen zu wollen und es ist mir wohl bewußt, daß es in jedem Glaubensbekenntnis Kinder Gottes, friedfertige und gute Menschen und edle Priester gibt. Als weibliches Wesen bin ich,— Gott sei Dank,— nicht berufen, in irgend einer religiösen oder politischen Richtung Partei zu ergreifen, aber mich herzlich über den Mut einer meiner Geschlechtsschwestern zu freuen, wird mir wohl niemand verwehren können. Mila Nowak.


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